Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
spöttischem Ton. Mit einer raschen Bewegung warf er mir die langen Haare über die Schulter und schob eine Strähne außer Reichweite der Flammen. Ich musste mich konzentrieren, um den Becher nicht fallen zu lassen. »Viel Spaß«, wünschte mir Lucian und stand auf. Dann beugte er sich kurz zu mir herunter, strich mir mit der Hand übers Kinn und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Seine warmen Lippen auf meiner glühenden Haut versetzten mich in einen Schockzustand, und auf einmal kam es mir vor, als wären diese paar Zentimeter Haut alles, was zählte. Ich war mir sicher, dass ich tiefrot anlief. All das sah und spürte ich wie in Zeitlupe, was den Geschehnissen eine gewisse Bedeutsamkeit verlieh, als sei da etwas Wichtiges, ganz Besonderes zwischen uns. Aber ich war natürlich ein schlaues Mädchen und konnte mir denken, dass er vermutlich jeden Tag Millionen solcher Küsse verteilte. Oder etwa nicht? Lucian verschwand so rasch, wie er gekommen war, wurde von der Gruppe auf der Plattform verschluckt, lief dann die Stufen hinunter und war fort. Ich starrte ihm hinterher, sah aber eigentlich nichts.
Stattdessen setzte sich nun Dante neben mich und tippte mir auf die Schulter, was ich zuerst überhaupt nicht realisierte. Ich wandte mich zu ihm um und versuchte zu verstehen, was er da zu mir sagte. Seine Lippen bewegten sich schnell, aber meine kleinen grauen Zellen arbeiteten so langsam. Die Musik dröhnte inzwischen lauter. Der Drink, dieses lächerlich riesige Glas in meinen Händen, wog mit einem Mal Tonnen. Ich versuchte mich zu konzentrieren.
»… ich konnte überhaupt nicht wegschauen, das war ja unglaublich … da sehe ich hoch und entdecke dich bei einem kleinen Tête-à-Tête mit dem Boss. Der ist so was von scharf, es ist der helle Wahn. Also?«
Er war vom Tanzen ganz verschwitzt.
»Also?« Ganz langsam bekam ich wieder einen klaren Kopf.
»Also, was sollte das Ganze? Ich sterbe hier gerade vor Neugier!« Er lehnte sich vor und gestikulierte ausladend. »Ich will alles hören.«
»Ich glaube, ich mag diesen Feuerring.«
»Ich habe zwar keine Ahnung, wovon du da sprichst, aber es hört sich gut an.«
»Da sind wir gerade – das hier ist der Feuerring, so hat er ihn zumindest genannt.«
»Und was noch? Erzähl schon!«
»Dieser Drink ist ein Geburtstagsgeschenk. Hast du das gesehen? Das hat eben noch gebrannt!« Langsam begann ich zu schwitzen. Die Flammen im Glas waren zwar längst erloschen, aber ich pustete zur Sicherheit trotzdem noch einmal hinein und wühlte die Oberfläche auf. Ich hob den Kelch, um einen Schluck zu trinken, hielt dann aber inne. »Er meinte, der Alkohol würde verbrennen. Klingt überzeugend, oder, was meinst du?«
»Theoretisch schon«, antwortete Dante. »Soll ich mal?« Er nahm mir das Glas ab und nippte daran. »Keine Sorge, das kannst du trinken.«
»Danke.« Auch ich probierte nun vorsichtig. Das Getränk schmeckte wie Fruchtsaftbowle mit Kohlensäure. Mir war gar nicht klar gewesen, dass ich so großen Durst gehabt hatte – ich kippte das Zeug runter wie einen Sportdrink nach einem Marathon.
»Was hat er denn gesagt ?«, drängte Dante.
»Eigentlich nicht viel. Er hat vorgeschlagen, dass ich mir was wünsche.«
»Lässig. Der ist so was von lässig«, urteilte Dante anerkennend. »Das war ja zu erwarten.«
»Ja, vermutlich«, sagte ich, aber in meiner Stimme klangen weniger Begeisterung und wilder Optimismus mit. Mir war klar, dass ich dem Vorfall zu viel Bedeutung beimaß. Also versuchte ich lieber, auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. »Ich bin sicher, dass das gar keine so große Sache war.«
Dante zuckte mit den Achseln und ließ sich das Ganze durch den Kopf gehen.
Dann fing ich wieder an: »Aber ich meine, hast du gesehen, was er da mit meinen Haaren gemacht hat?« Er nickte. »War das wirklich nur zur Sicherheit, oder steckte noch was anderes dahinter?«, wollte ich wissen. Dante nahm meine Frage ernst und dachte lange darüber nach, das Kinn in die Hand gestützt.
Endlich: »Also, ich würde ja gerne behaupten, dass es etwas anderes war.«
»Du denkst also …«, strahlte ich.
Er fuhr fort: »Aber die Vernunft gebietet mir, erst mal abzuwarten, bevor wir uns zu früh freuen.«
»Könnten wir uns denn nicht wenigstens ein kleines bisschen freuen?«
»Ein kleines bisschen ist an deinem Geburtstag wohl erlaubt.«
Ich lächelte breit und flüsterte: »Ja!«
Er lachte, und ich lehnte mich in der weichen Bank zurück. Friedliche Wogen
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