Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
verbringen.
Reparier morgen noch vor Ablauf des Tages die Lampe im Schrank. Dann hol dir hier weitere Anweisungen.
Ich machte das Buch zu, rührte mich aber nicht. Ich wollte da nicht runter. Schließlich zog ich meine Turnschuhe wieder an und stattete die neue Taschenlampe mit Batterien aus. Dann holte ich alles aus dem Schrank: meine Reisetaschen und den Mantel sowie die Vorräte aus der Drogerie. Ich fand die Ritze im Boden wieder, schob dieses Mal das Taschenmesser dazwischen und zog an der Luke. Modrige, abgestandene Luft waberte hervor. Ich dachte an Lance. Was ich jetzt vorhatte, würde ihm überhaupt nicht passen. Nicht dass ich ihm davon erzählen würde, aber allein der Gedanke ließ mich auflachen. Obwohl mich doch panische Angst erfüllte.
Ich konnte nicht fassen, dass ich das wirklich machen würde.
Mit der Funzel leuchtete ich in das schwarze Loch hinein, aber das Licht wurde von der Dunkelheit verschluckt. Ich konnte nur eines erkennen, nämlich dicke Holzbretter, die an der einen Seite des Schachtes an die Wand genagelt waren und als Leiter dienten. Aber alles, was darunter lag, verschwand in diesem finsteren Abgrund. Man konnte unmöglich ergründen, wie weit es da in die Tiefe ging. Ich musste es selbst herausfinden.
Also band ich mir die Schlinge der Taschenlampe ums Handgelenk, nahm auch den neuen Schlüsselring mit Pfefferspray mit (das ich hoffentlich nicht brauchen würde) und begab mich dann in die Klauen des düsteren Schachtes. Ich tastete mit dem Fuß herum, bis ich eine Sprosse fand, und dann mit dem anderen. Mit jedem langsamen Schritt nach unten wurde die dicke, abgestandene Luft wärmer, so als würde ich tiefer in einen Schlafsack hineinkriechen. Meine nervösen Finger lösten sich vom Boden des Schrankes und suchten einen sicheren Halt auf der obersten Strebe – sie war fast überall glatt geschmirgelt und hatte nur hier und da ein paar raue Stellen. Hoffentlich zog ich mir nicht zu viele Splitter ein. Das Holz war über fünf Zentimeter breit, so dass ich genug Platz zum Festhalten hatte, und ich bohrte meine Fingernägel hinein, so gut es ging. Die Taschenlampe baumelte an meinem Handgelenk und warf einen schwachen Schein in die Dunkelheit unter mir. Ich konnte spüren, wie mich der Schacht verschluckte. Ringsumher hatte ich etwa 30 Zentimeter Platz.
Es kam mir vor, als wären Jahre verstrichen, als ich endlich keine neue Planke mehr fand, mit dem Fuß herumsuchte und schließlich den Boden erreichte. Sehnsüchtig schaute ich hinauf, zur Luke in meinem Schrank, aber oben war kein Licht mehr zu erkennen.
Ich atmete schwere Luft ein, in der der Staub von zerfallendem Backstein und Mörtel tanzte. Offensichtlich befand ich mich am Ende eines Ganges. Als ich ihn jetzt zu erkunden begann, erleuchtete meine Taschenlampe ihn zittrig, bis ich schließlich eine offene Tür erreichte, durch die dunstiges Licht fiel. Ich trat hindurch und stand in einem weiteren Korridor, der mindestens drei Meter breit war und Wände aus Beton hatte. Unter der Decke schlängelten sich hier Rohre entlang. Wieder hatte ich das Gefühl, verschluckt zu werden. Der einzige Laut, der zu vernehmen war, stammte von meinen Schritten auf Jahrzehnten von Schmutz und Schutt, und die Stille ging mir durch Mark und Bein.
Schließlich verzweigte sich der Gang. Auf beiden Seiten war er mit bloßen Glühbirnen erhellt, die zwar nur schwach leuchteten, aber immerhin. Zwischen den Lampen hingen endlose dünne, flaumige Spinnweben. Ich wählte den Pfad zu meiner Rechten – weil ich aus Kindheitsbesuchen in Maisfeldlabyrinthen noch wusste, dass man irgendwann aus jedem Irrgarten herausfand, wenn man sich immer rechts hielt – und folgte dem Gang, bis er sich zu etwas öffnete, das wohl einmal ein Raum gewesen sein musste. Die Wände waren zum Teil beschädigt und zeigten die unter dem Putz liegenden hölzernen Balken. An einigen Stellen gähnten große Löcher, während andere Teile fast komplett erhalten waren und sogar stellenweise noch Reste einer abblätternden, vergilbten Tapete zu sehen waren, die zu der in meinem Zimmer passte. Ganz hinten entdeckte ich eine rot gestrichene Tür mit einem großen waagerechten Riegel davor.
Ich verließ den Raum, bog um eine scharfe Ecke und entdeckte nichts weiter als ein paar mit Brettern vernagelte Stellen, wo wohl früher einmal Türen gewesen waren. Inzwischen schwitzte ich ganz schön, hier unten mussten es um die 30 Grad sein. Ich zog die Strickjacke aus, die ich über
Weitere Kostenlose Bücher