Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
konnte ich vielleicht durch dieses Loch in der Wand kriechen, aber mit den hölzernen Balken würde das ziemlich knapp werden. Ich war nicht sicher, ob ich da reinpasste und ob ich schnell und leise genug war. Also hielt ich einfach den Atem an und betete, Beckett würde nicht näher kommen.
Die Schritte erreichten den Eingang zum Raum. Ich presste den Rücken gegen die Wand und wünschte mir, mit ihr zu verschmelzen. Und lauschte. Beckett ging noch ein, zwei Schritte weiter, und dann schien er seine Meinung zu ändern oder sich plötzlich dessen bewusst zu werden, wo er eigentlich war. Er verschwand in die andere Richtung, ging den Tunnel entlang, den ich noch nicht erforscht hatte. Ich wartete ab, bis ich ihn nicht mehr hören konnte, und harrte dann noch ein wenig länger aus. Endlich verließ ich mein Versteck und betrat den Raum, ging auf diese Tür zu. In dem waagerechten Riegel entdeckte ich eine Öffnung, in die ein pentagrammförmiger Schlüssel passen würde. Die Tür selbst hatte ein größeres Schloss in demselben Design. Ich berührte sie und zuckte zurück, sie war nämlich kochend heiß. Als ich meine Hand ausschüttelte, um sie abzukühlen, tat mir auch noch das Gelenk weh. Ich musste hier raus.
Aber da gab es einen weiteren Pfad, den ich noch nicht erkundet hatte. Also folgte ich Beckett und kam dabei an ein paar verschlossenen sowie einer offenen Tür vorbei. In diesem engen Gang stammte das einzige Licht von schmalen Streifen im oberen Bereich der Wände. Ich nutzte sie als Richtschnur und tastete mich abgesehen davon blind voran. Um die Taschenlampe einzuschalten hatte ich viel zu viel Angst. Aber da war auch noch eine andere Furcht, die mich antrieb: der Gedanke daran, was wohl passieren würde, wenn ich diesem Weg nicht folgte, wenn ich meine Aufgabe für heute Nacht nicht gut genug erfüllte, um den Ansprüchen dieses schrecklichen Buches gerecht zu werden. Die Temperatur sank mit jedem Meter, und langsam bekam ich wieder einen klaren Kopf. Du musst hier einfach noch bis zum Ende weitergehen, und dann darfst du zurück in dein Zimmer, von wo aus Dante und Lance nicht weit sind.
Zuerst fühlte ich den Bass, der in meiner Brust hallte und dröhnte, dann in meinem Kopf. Die Musik wurde lauter, und der Name des Songs lag mir auf der Zunge. Plötzlich gab es unter der Decke keine Leuchten mehr, und ich blieb stehen. In einiger Entfernung flackerten Flammen auf.
Ich hatte den Tresor erreicht. Das war die Rückseite der Feuer wand.
Ich rannte los, floh, bevor mich hier noch irgendjemand entdecken würde, lief durch den dunklen Gang und die Tür und den Korridor und dann zu den Leitersprossen, die in mein Zimmer hinaufführten. Mit den ersten Streben hatte ich Probleme, meine Hände waren so verschwitzt, dass sie keinen Halt fanden, und ich rutschte auch mit den Füßen ab. Aber bei meinem Weg hinauf kam noch etwas hinzu, das beim Abstieg gefehlt hatte: ein Adrenalinschub. Hier unten hielt ich es nämlich keine Sekunde länger aus. Meine Haut kribbelte, jede Faser meines Körpers brannte darauf, endlich mein Zimmer zu erreichen und diese Luke hinter mir zu schließen. Ich schaffte es ein paar Sprossen hoch und verfiel dann endlich in einen Rhythmus. So schnell ich konnte, stieg ich hinauf und stellte fest, dass ich gar nicht nach dem perfekten Halt suchen musste. Solange ich nur in Bewegung blieb, ging es immer weiter. Schweiß rann mir aus jeder Pore, das T-Shirt klebte am Körper, die Haare hingen mir ins Gesicht. Endlich sah ich das Licht aus meinem Zimmer. Mit letzter Kraft zog ich mich hoch, ließ mich im Schrank auf den Fußboden sinken und machte die Luke mit dem Fuß zu. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Mit bebender Brust schloss ich die Augen. Alles tat mir weh. Muskeln, von deren Existenz ich nicht einmal gewusst hatte, brüllten vor Schmerz.
Ich schlief direkt auf dem Fußboden ein.
Nach all den schrecklichen Szenen des heutigen Tages drängten sich die Bilder in meinem Kopf und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Aber eines flackerte am häufigsten vor meinem geistigen Auge auf.
Es war das Letzte, was ich erwartet hätte: Immer wieder sah ich vor mir dieses Gemälde, La Jeune Martyre .
11
Vergib mir, oder ich lass dich
nie wieder gehen
I ch wachte auf dem Fußboden auf – also hatte ich die Ereignisse des gestrigen Abends wohl doch nicht geträumt. Ich hatte gehofft, dass es sich nur um einen weiteren Albtraum gehandelt hatte, aber nein. Ich lag in Jeans und T-Shirt
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