Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Schnur.
»Danke.«
»Kann ich sonst noch was für dich tun?«, fragte er, als er von der Leiter herabstieg.
»Nein.« Ich lachte. »Ich denke, das war es im Moment, aber ich werde mich schon melden. Nochmal danke.«
»Kein Problem.« Er hauchte seine Brille an und putzte sie sich mit dem T-Shirt. »Da oben ist es ganz schön staubig.« Ohne die Gläser wirkten seine Augen größer und sein Blick ein wenig ziellos, weil er nicht viel sehen konnte. Seine Narbe war gar nicht so schlimm. Vielleicht war ich einfach egozentrisch und mochte sie nur, weil ich selbst drei fette Narben hatte, aber sie stand ihm wirklich nicht schlecht. Dass sie ihn so sehr störte, tat mir in der Seele weh.
»Ja, der Zimmerservice ist hier unten ja nicht besonders«, bemerkte ich mit leicht sarkastischem Anflug.
»Ich warte immer noch darauf, dass sie uns als Putzkolonne abkommandieren.«
»Sehr witzig«, antwortete ich. »Hoffentlich bleibt es auch bei dem Witz. Bei unserem Ordnungssinn würden die uns nämlich schnell feuern.«
»Wenigstens hast du angefangen, dein Bett zu machen.«
»Ha-ha.«
»Also um elf?«
»Elf Uhr«, bestätigte ich.
Er machte sich schon auf den Weg hinaus, drehte sich dann aber noch einmal um. »Kommst du allein klar?«
Da meldete sich wohl wieder sein Beschützerinstinkt.
»Auf jeden Fall. Ich werde noch ein bisschen lesen und mich ausruhen.« Ich dachte an das Buch und war dankbar, dass es hier nicht offen herumgelegen hatte. Aber andererseits war es ja immer plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, wie ein schüchternes Kätzchen, das sich bei jedem Klingeln an der Tür versteckte.
Er nickte, meine Antwort schien ihn zufriedenzustellen. »Dann bis nachher.«
Ich winkte und bedankte mich noch einmal. Die Leiter hatte er stehen lassen, aber die würde bis morgen früh wohl niemand vermissen, also machte ich einfach das Licht im Schrank aus und schloss die Tür.
Im Tresor war heute Trägheit angesagt, was ich irgendwie ironisch fand, denn ich war ja zum Arbeiten hier. Die beiden Syndikat-Mitglieder an der Tür – die gleiche Frau wie immer, diesmal allerdings kein Beckett – winkten Lance und mich durch, kein Problem. Da ich quasi beruflich hier war, hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, irgendetwas Passendes anzuziehen. Jeans und Langarmshirt mussten eben reichen. Außerdem gab es ohne Dantes Stylingkünste für mich wenig Hoffnung. Auch Lance überraschte mich in dieser Hinsicht nicht. Er tauchte in denselben Sachen auf, die er den ganzen Tag angehabt hatte – Jeans und ein T-Shirt über einem langärmeligen Teil –, die sogar ein, zwei schwarze Farbspritzer abbekommen hatten. Er blieb an meiner Seite, während ich durch den Raum schlenderte und Fotos schoss – von den lärmenden Partygästen, den sexy Tänzern und den Pärchen, die sich in die ausgehöhlten Stalagmiten zurückgezogen hatten.
Wir waren bereits ein paarmal um den Feuerring gewandert, bis jetzt hatte aber noch keiner von uns vorgeschlagen, da raufzugehen. Bei unserer zweiten Runde fiel mir auf, dass Raphaella Lance entdeckt hatte und ihm mit Blicken durch den Club folgte. Er sah gelegentlich zu ihr hoch, schaute dann aber schnell wieder weg. Schließlich blieb ich stehen, als mir auffiel, dass die blonde Schönheit ihn von ihrem Aussichtspunkt weiterhin anstarrte.
»Raphaella guckt sich schon wieder die Augen nach dir aus.«
»Echt?« Er sah hinauf, und da war sie.
»Als ob du das nicht bemerkt hättest«, zog ich ihn auf.
Plötzlich war er ganz schüchtern.
»Na, geh schon.« Mit einer Kopfbewegung deutete ich auf den Ring. »Dass sie mich ignoriert, muss ja nicht heißen, dass sie mit dir auch nicht redet.« Mit Schrecken dachte ich an meinen misslungenen Versuch, mit dieser Frau Smalltalk zu betreiben.
Er schaute kurz zum Feuerring hinauf und überlegte. Ich blickte ebenfalls hoch – ich hatte bereits den ganzen Abend da raufgeschielt, aber immer noch keine Spur von Lucian entdeckt. Die Kamera war ein guter Vorwand, damit konnte ich so tun, als sei ich nicht nur hier, um nach ihm Ausschau zu halten. Eigentlich war mir seine Abwesenheit fast ein Trost – vielleicht hatte er ja wirklich so viel zu tun.
»Kommst du hier unten allein klar?«, fragte Lance, der sich endlich entschieden hatte.
»Na klar. Ich schieße noch ein paar Bilder und verschwinde dann wahrscheinlich. Na los!« Ich lächelte. »Wir sehen uns dann morgen!«
Er nickte und schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen auf die Wendeltreppe zu. Dann
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