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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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erwiderte Jacob.
    – Keine Spiele hier – das ist Gottes Haus.
    Während des Gottesdienstes konnte Isabelle mehrmals zur Jungfrau blicken. Sie fühlte Etiennes Augen ab und zu auf sich, machte aber ein ernstes Gesicht und versteckte ihr Glück.
    Monsieur Rougemont sprach lange über das Opfer Christi und die Notwendigkeit eines reinen Lebens.
    – Gott hat bereits gewählt, wer unter euch Seinem Sohn in den Himmel folgen wird, sagte er. Euer Verhalten hier zeugt von Seiner Entscheidung. Wenn ihr sündigt, alten Bräuchen folgt, obwohl ihr die Wahrheit kennengelernt habt, wenn ihr falsche Idole anbetet – Isabelle sah zu Boden –, wenn ihr böse Gedanken traget, werdet ihr Gottes Vergebung nicht erlangen. Aber wenn ihr ein Leben der Reinheit, der harten Arbeit und des aufrichtigen Gebetes führet, dann könnt ihr einer von Gottes Auserwählten sein und seid des Opfers Seines Sohnes würdig. Lasset uns beten.
    Isabelles Wangen brannten. Er spricht zu mir, dachte sie. Ohneden Kopf zu bewegen, blickte sie nervös zu Etienne und Hannah; zu ihrer Überraschung sah sie Furcht in ihren Gesichtern. Sie sah zur anderen Seite, und außer in den heiteren Mienen der Kinder erblickte sie überall den gleichen Gesichtsausdruck.
    Vielleicht ist niemand von uns auserwählt, dachte sie. Und wir wissen es.
    Sie sah zur Jungfrau hinauf.
    – Hilf mir, betete sie. Hilf mir, Vergebung zu erlangen.
    Monsieur Rougemont beendete den Gottesdienst, indem er den Weinkelch und die dünnen Oblaten für das Abendmahl brachte.
    – Zuerst die Kinder, sagte er. Selig sind, die reinen Herzens sind.
    – Geh. Isabelle gab Marie einen kleinen Schubs, und sie, Jacob und Petit Jean schlossen sich den anderen Kindern an, die vor dem Pfarrer knieten.
    Während sie warteten, ruhten Isabelles Augen wieder auf der Jungfrau. Sieh mich an, bat sie still. Zeig mir, daß meine Sünden mir vergeben worden sind.
    Die Augen der Jungfrau waren niedergeschlagen, richteten sich auf etwas unter ihr. Isabelle folgte ihrem Blick zu Marie. Ihre Tochter kniete geduldig wartend, bis sie an der Reihe war, ihr schwarzes Kleid war um ihre Beine herum hochgeschoben. Darunter war jedoch kein weißer Unterrock. Er war blau. Marie trug das Tuch.
    Isabelle keuchte, und die Köpfe der Nachbarn sowie die von Etienne und Hannah wandten sich nach ihr um. Sie versuchte angestrengt, ihre Augen von dem Blau abzuwenden, schaffte es aber nicht.
    Andere sahen es dann auch. Stöße und Geflüster gingen durch die Kapelle. Jacob, der neben Marie kniete, sah sich um, dann blickte er auf Maries Beine. Er machte eine Bewegung, als wolle er Maries schwarzes Kleid wieder nach unten ziehen, hielt dann aber inne.
    Als Etienne es schließlich sah, verfärbte sich sein Gesicht zuerst weiß, dann rot. Er drängte sich durch die Menge nach vorne durch und zog Marie hoch. Sie sah zu ihm auf, und ihr Lächeln erstarb. Sie schien sich in sich selbst zu verkriechen. Etienne zerrte sie durch die Kirchengemeinde zur Tür, und sie verschwanden nach draußen.
    Jacob war aufgestanden und stand regungslos vor den knienden Kindern, die Augen fest auf die Kirchentür geheftet. Als Isabelle sich umwandte, um hinterherzulaufen, sah sie Pascale: Sie hatte angefangen zu weinen.
    Sie kämpfte sich zur Tür hinaus. Draußen hatte Etienne Maries schwarzen Rock hochgehoben, um den blauen darunter ganz zum Vorschein zu bringen.
    – Wer hat dir das gegeben? Wer hat dich angezogen? fragte er. Marie sagte nichts. Etienne zwang sie in die Knie.
    – Wer hat dir das gegeben? Wer?
    Als Marie immer noch nichts sagte, schlug er sie hart auf den Hinterkopf. Sie fiel nach vorne auf das Gesicht.
    – Ich habe es ihr gegeben, log Isabelle.
    Etienne drehte sich um.
    – Ich hätte mir denken sollen, daß du uns hereinlegen willst, La Rousse. Aber zum letzten Mal. Du wirst uns nicht mehr schaden. Steh auf, sagte er zu Marie.
    Sie setzte sich langsam auf. Blut lief aus ihrer Nase an ihrem Kinn herab.
    – Maman, flüsterte sie.
    Etienne stellte sich zwischen sie.
    – Rühr sie nicht an, zischte er Isabelle an. Er riß Marie hoch und sah sich um. Petit Jean, viens , sagte er, als ihr Sohn in der Tür erschien.
    Petit Jean ging zu ihm hinüber.
    – Pascale, verkündete er für Etienne. Es war Pascale, Papa. Er nahm Maries anderen Arm. Sie führten Marie zwischen sich ab. Sie wandte den Kopf nach Isabelle.
    – Bitte, Maman, sagte sie. Sie stolperte; Etienne und Petit Jean packten ihre Arme fester.
    Hannah und Jacob tauchten in der Tür

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