Das dunkle Erbe
gibt es etliche.«
»Eine Nazi-Devotionalie.«
»Richtig.«
»Warum haben Sie ihn gestohlen?«, fragte Raupach.
»Von mir aus kann er ihn wiederhaben.«
»Sind Sie wegen dieses Ringes hergekommen?«
»Nein. Aber Marsh hat ihn mir gezeigt, voller Stolz. Da konnte ich mich nicht beherrschen. Hab einfach zugeschlagen.«
Photini schüttelte missbilligend den Kopf. »Bravo.«
»Bring sie in den Wagen, Fofó.«
Clüsserath nahm Raupach beiseite und gab ihm die Schlüssel zu den Handschellen. »In dem Haus dürfen wir vorerst nichts anfassen, Marsh muss bei einer Durchsuchung anwesend sein, sonst bekommen wir Schwierigkeiten. Der Staatsanwalt dürfte gleich hier sein. Wollen Sie die Vernehmung in Köln oder bei uns fortsetzen?«
»In Köln. Verständigen Sie uns, wenn Marsh vernehmungsfähig ist.«
»Selbstverständlich.«
»Der Einsatz war perfekt.«
»Hätten wir früher zugreifen sollen?«
Raupach blickte in die Runde. »Ich denke, nicht. Manchmal muss man zusehen, wie sich die Dinge entwickeln.«
DER KOMMISSAR nahm das Haus kurz in Augenschein, das verstieß nicht gegen die Vorschriften. Aber es lag nichts herum, was Verdacht erregte, keine weiteren verfänglichen Gegenstände wie dieser SS-Ring, weniger eine »Trophäe unseliger Verbrecher«, wie es in Gustav von Barths Schatzkastenliste hieß, eher der »Wölfe Zierat«.
Vermutlich stammte der Ring aus der Marienburger Villa. Raupach hatte sich eine solche Entdeckung erhofft. Sie einzuordnen und in einen Zusammenhang zu bringen war schwieriger. Der Ring schien einem der Wenzels gehört zu haben, Ernst Wenzel, was jedoch unwahrscheinlich war, oder einem der beiden Söhne. Irgendwie war General Graham Marsh in seinen Besitz gelangt, vielleicht bei der Übernahme der Villa 1945, Marshs Sohn Kenneth wurde erst 1947 geboren. Wie kam dann aber Gustav von Barths Hinweis auf Nazischmuck zustande, den er mehr als zwanzig Jahre später verfasst hatte?
Die Bilder an den Wänden waren durchweg jüngeren Datums. Auf dem Wohnzimmertisch standen zwei leere Espressotassen und eine Zuckerdose aus Porzellan. Die Fächer und Schubladen einer Schrankwand waren zum Teil herausgezogen, anscheinend hatte Sharon Springman schon mit ihren eigenen Nachforschungen begonnen. Sie war nicht weit gekommen.
Marsh zeigte erste Lebenszeichen. Für seine sechzig Jahre schien er in guter körperlicher Verfassung zu sein, schlank, durchtrainiert, volles, nur leicht ergrautes Haar. Raupach musste sich noch einen oder zwei Tage gedulden, bevor er den Mann vernehmen konnte. Er redete mit dem Staatsanwalt, klärte die Formalitäten und verabschiedete sich.
» A bientôt « , sagte Clüsserath. » Le renard est pris, lâchez vos poules. «
»Was heißt das?«
»Wörtlich: Der Fuchs ist gefangen, lassen Sie Ihre Hühner raus.«
Photini wartete mit dem Wagen vor dem Haus. Er setzte sich neben Springman auf den Rücksitz, öffnete die Handschellen an ihrer linken Hand und verband sein rechtes Handgelenk mit ihrem.
»Haben Sie Angst, dass ich abhaue?«, fragte sie.
»Ich schränke die Möglichkeiten ein, dass Sie eine Dummheit begehen.« Raupach reichte Photini den Schlüssel.
»Vielen Dank.« Die Antwort klang sarkastisch.
»Bei Ihnen muss man aufpassen.«
»Das nehme ich als Kompliment.«
Photini startete den Motor, sie fuhren los.
Der Kommissar schwieg. Es würde nicht einfach werden, aus Springman etwas herauszubekommen.
Die Minuten verstrichen. Auch Photini sagte kein Wort, obwohl sie sich nicht abgesprochen hatten. Man hörte nur die Geräusche des Wagens und des Stadtverkehrs, wie bei einer Taxifahrt, bei der weder Fahrer noch Passagier Lust auf eine Unterhaltung hatten.
Sharon brauchte eine Weile, um in klareren Bahnen zu denken, das Adrenalin durchströmte immer noch ihren Körper. Die Aktion war mit atemberaubender Geschwindigkeit abgelaufen. Hatte Marsh sie in eine Falle gelockt, arbeitete er mit der Polizei zusammen? Sie hätte ihn gern früher getroffen, aber angeblich war kein anderer Termin möglich gewesen.
Ihr Verdacht hatte sich bestätigt, Marsh steckte auch mit drin. Sie wunderte sich, dass er den Ring so freimütig hergezeigt hatte. Offenbar nahm die Scheu vor Nazi-Souvenirs immer mehr ab. In besseren Kreisen sanken sie zu beliebigen Artefakten herab, zu Sammlerstücken, obwohl die Zurschaustellung von NS-Symbolen in Deutschland verboten war. Bestimmt besaß Marsh noch mehr davon. Wegen der Polizeiaktion kam sie da jetzt nicht mehr ran.
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