Das dunkle Erbe
hat Sie in verdächtigen Situationen gesehen.«
»Die da wären?«
»Das darf ich Ihnen nicht sagen.«
»Warum?«
»Ich bin nicht Ihr Ankläger. Ich ermittle gegen Sie, das ist alles.«
» Gegen mich.« Schwan nickte. »Sie sind also mein Feind.«
»Überzeugen Sie mich, dass Sie unschuldig sind.« Raupach nahm sich jetzt doch einen Stuhl. »Deshalb bin ich hier.«
»Sie machen es mir wirklich nicht leicht.«
»Das ist nicht meine Aufgabe.«
Sie schwiegen eine Weile, musterten einander. Schwan wirkte erstaunlich sicher. Er wollte nicht einfach nur reden. Irgendetwas, das er für relevant hielt, musste ihm eingefallen sein. Oder er versuchte ein Täuschungsmanöver, das war nicht genau zu sagen.
»Hören Sie«, begann Raupach, »die Ermittlung konzentriert sich gerade auf die Vorgeschichte der Marienburger Villa. Die Historie des Hauses wirft neue Fragen auf. Können Sie mir etwas über die Vorbesitzer erzählen?«
»Nein.«
»David Springmann. Ernst Wenzel. Graham Marsh. Sagen Ihnen diese Namen etwas?«
»Nein.«
»Kennen Sie Sharon Springman, eine US-Amerikanerin?«
»Tut mir leid. Das heißt …, es gab da einen Anruf. Vor einigen Wochen.«
»Und?«, fragte Raupach.
»Nicht der Rede wert. Die Frau wollte etwas über die Vergangenheit der Villa wissen. Da musste ich passen. Das Gespräch dauerte keine zwei Minuten.«
»Wissen Sie etwas über einen Schatz?«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Schwan.
»Wertvolle Kunstgegenstände, die in der Nazizeit zur Seite gebracht wurden. Von den Bewohnern der Villa.«
»Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen.« Schwan seufzte. »Wer hätte mich auch in derlei Geheimnisse einweihen sollen? Sicher nicht Eva, obwohl sie immer sehr gewichtig tat, wenn es um Eingriffe in die Bausubstanz ging.« Er winkelte die Beine an und setzte sich im Bett auf. »Ich habe eine andere Beobachtung gemacht.«
»Ja?«
»Sie hatte keinen Partner.«
»Das ist bekannt. Anscheinend hatte Eva von Barth, seit sie in die Villa einzog, keine Beziehung.«
»Ich vermute aber, dass sie früher eine hatte«, sagte Schwan. »Eine einschneidende, umwälzende Beziehung, an der man sein ganzes weiteres Leben misst.«
»Wir wissen von einem Freund aus ihrer Studienzeit in den USA.«
»Etwas Ernstes?«
»Es ist über einem Briefwechsel allmählich eingeschlafen.«
Schwan nickte. »Ich rede aber von etwas, das abrupt endete, von einer Erinnerung, die unterdrückt wurde. Eine Liebe, die Eva seit langem mit sich herumtrug und nicht herausließ. Wie einen Schatz – Ihre Fragen bringen mich auf diesen Vergleich.«
»Sie sagten doch, dass Sie mit Eva kaum über private Dinge sprachen.«
»Stimmt. Allerdings habe ich mich in letzter Zeit viel mit der Liebe auseinandergesetzt. Das wissen Sie ja, das macht mich in Ihren Augen verdächtig.«
Schwan lächelte, als unterhielten sie sich über gemeinsame Jugenderinnerungen. Raupach lief es kalt den Rücken herunter. Die Situation hatte eine schwer erträgliche Ähnlichkeit zu seinen Gesprächen mit Felix.
»Jedenfalls überlege ich, seit ich hier im Krankenhaus bin, unter welcher Liebe Eva wohl gelitten hat.«
»Tat sie das?«, fragte Raupach überrascht.
»Ich denke schon, Ihr Psychologe hat mich dafür hellhörig gemacht. Natürlich weiß ich nichts Konkretes, ich habe nur ein paar Anhaltspunkte, Beobachtungen, über die ich aus der Rückschau gestolpert bin. Zum Beispiel die Vasarely-Drucke in unserem Wartezimmer. Die sind ja längst aus der Mode, doch Eva hing an den Bildern. Ich schlug ihr einmal vor, sie zu ersetzen. Sie wehrte sich dagegen, als wollte ich ihr einen Teil ihres Lebens stehlen. Das war nicht nur die Reaktion einer Kunstliebhaberin. Es hatte andere Gründe – die offensichtlich tabu waren.«
Raupach fand das seltsam. Schon wieder ging es um Bilder.
»Mit den Fotografien in ihrer Wohnung verhielt es sich ähnlich«, fuhr Schwan fort, »die waren ihr so heilig wie Ikonen. Darauf sind aber nur Bauwerke zu sehen, aus Köln, gewiss, aber Eva war keine Lokalpatriotin. Sie verband viel mehr mit den Bildern als Heimatgefühle. Zuerst dachte ich, sie habe die Fotos selber geschossen, aber dafür waren sie zu alt und, mit Verlaub, auch zu professionell.«
»Vielleicht stammten sie von ihrem Vater.«
»Zu Familienerbstücken hat man ein anderes Verhältnis. Die hält man in Ehren, aber man vergöttert sie nicht.«
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«, fragte Raupach.
»Das ist momentan alles.« Schwan tippte sich an
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