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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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treffen.«
    »Von Ihren Briefen haben wir in der Villa nicht das Geringste gefunden.«
    »Sie haben nicht gründlich gesucht. Eva hat sie bestimmt an einem sicheren Ort aufbewahrt.«
    »Gründlichkeit gehört zu den Vorzügen der Deutschen.« Raupach konnte sich diese Replik nicht verkneifen.
    »Dann hat jemand die Briefe entwendet. Vielleicht Evas Mörder, im ersten Stock, in derselben Nacht, in der ich in der Villa war. Das wäre doch logisch.«
    »Aus welchem Grund?«
    »Weil er verhindern wollte, dass man von meiner Korrespondenz mit Eva erfährt.«
    »Sie klammern sich an jeden Strohhalm.«
    »Wenn Sie keine Schlüsse ziehen, muss ich das wohl tun.« Sharon versuchte ein Lächeln.
    »Auch wir sind der Vorgeschichte der Villa nachgegangen, genau wie Sie. Wir wissen, dass David Springmanns Fabrik arisiert wurde und er durch den Verkauf der Villa einer Enteignung zuvorkam. Und über Ernst Wenzel kann ich Ihnen etwas erzählen, was Ihre Meinung von ihm relativieren könnte.«
    »Da bin ich gespannt.«
    Er wies auf die Handschellen. »Sind die noch notwendig?«
    »Das müssen Sie entscheiden. Versprechen kann ich Ihnen nichts.«
    Photini warf einen mahnenden Blick in den Rückspiegel. Raupach bat sie um den Schlüssel.
    »Es besteht Fluchtgefahr, Klemens. Nimm das nicht auf die leichte Schulter.« Photini ging vom Gas und wechselte auf die rechte Spur.
    »Sei nicht so streng.« Und mach es nicht noch komplizierter, fügte er in Gedanken hinzu.
    »Ihre Tür ist blockiert«, sagte Photini zu Sharon Springman. »Die Fensterscheiben auch. Wenn Sie sich dem Polizeigewahrsam entziehen wollen, müssen Sie die Scheibe mit dem Ellbogen einschlagen. Sie setzen meinen Chef und dann mich außer Gefecht, verursachen einen Unfall und klettern nach draußen. Das kriegen Sie doch hin, oder?« Photini reichte den Schlüssel nach hinten. »Ihre Assistentin hat einen seltsamen Humor«, meinte Sharon.
    »Und manchmal zu viel Phantasie.« Raupach öffnete die Handschellen. »Sie stammt aus Griechenland.«
    Das war ein kleiner Verrat, fand Photini. Gelegentlich veralberten sie einander, aber nie vor Verdächtigen. Sie ließ sich nichts anmerken und blieb wachsam.
    »Was wollten Sie mir über Ernst Wenzel sagen?« Sharon rieb sich die Handgelenke.
    Raupach steckte die Handschellen in sein Jackett.
    »Wie das Verhältnis zwischen ihm und David Springmann wirklich war, kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber, dass es gute und schlechte Ariseure gab. Jene, die sich nur bereicherten, und andere, die den Juden insgeheim beistanden.«
    »So wie es gute und schlechte Menschen gibt?« Sharon stieß die Luft aus. »Schön wär’s.«
    »Wie auch immer, bei Kriegsende ging Wenzel den amerikanischen Truppen mit einer weißen Fahne entgegen. Er hatte die Absicht zu kapitulieren und wurde dafür von den Deutschen erschossen.«
    »Ein hübsches Märchen.«
    »Und wenn es stimmt?«
    »Dann wollte er eben schnell noch die Fronten wechseln, um keine Repressalien befürchten zu müssen. Nicht alle Deutschen verharrten damals in einer Art Schockstarre oder kämpften bis zum Letzten. Einige dachten schon in die Zukunft, ihre ganz persönliche Zukunft.«
    »Woher können Sie eigentlich so gut Deutsch?«, fragte Raupach. »Die Sprache der Täter.«
    »Und meiner Väter und Mütter. Meine Vorfahren haben alle deutsch gesprochen. Deswegen habe ich die Sprache auch studiert.«
    »Es klingt perfekt, das lernt man nicht auf der Uni.«
    »Mit meinen älteren Angehörigen habe ich in letzter Zeit viele Interviews geführt. Und ich halte mich schon seit einiger Zeit in Köln auf. Reicht das zur Erklärung?«
    »Gut.« Raupach fuhr fort. »Laut unseren Unterlagen hat sich David Springmann von seiner Frau Hedwig scheiden lassen, bevor sie in die USA auswanderte.«
    »Ihre Unterlagen über die damalige Zeit enden wohl an der Grenze des Deutschen Reichs«, versetzte Sharon. »Hedwig war schwanger, als sie und David beschlossen, sich zu trennen. Sie rangen sich gemeinsam dazu durch, wegen der Nürnberger Rassengesetze. Hedwig war keine Jüdin, Mischehen wurden ab 1935 unter Strafe gestellt. Das empfand sie als erniedrigend, die Nazis sollten nicht über den Status ihres Kindes bestimmen dürfen.«
    »Heißt das, Ihre Urgroßeltern liebten sich, obwohl sie sich trennten?«
    »Komisch, nicht wahr? Die Deutsche floh, und der Jude blieb.«
    »Die Zeiten waren alles andere als eindeutig«, sagte Raupach.
    »Hedwig war die treibende Kraft bei der Emigration, sie bereitete in

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