Das dunkle Fenster (German Edition)
man auch die eine oder andere Sache. Diese Vorbildung prädestiniert dich für eine Reihe einschlägiger Jobs.“
„Zum Beispiel als Killer.“
Carmen hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt dafür. Aber jetzt war es raus. Sie sah, wie sich seine Miene verschloss.
„Egal“, murmelte er. Seine Stimme klang abweisend. „Jedenfalls stellte mich Gregor einem Geschäftsmann namens Viktor Kusowjenko vor. Sagt dir der Name was?“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf, „Nik, tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen. Es war nicht so gemeint.“
„Natürlich war es das“, erwiderte er hart. „Ich habe es auch nie bestritten. Sonst wären wir jetzt nicht hier.“
„Ich meine nur ...
„Wir müssen das nicht vertiefen“, unterbrach er sie. „Viktor verdiente mit allen möglichen Geschäften Geld. Zu der Zeit besaß er einen Club und zwei Autohäuser. Frag nicht, wo die Autos herkamen. Und er handelte damals schon mit Waffen. Die guten aus der Roten Armee, du weißt schon.“
„Die, mit denen sich auch Gregor versucht hat.“
„Genau.“ Nikolajs Gesichtsausdruck blieb undeutbar. „Ich fing als Rausschmeißer in seinem Club an.“
„Aber du hast Karriere gemacht“, vermutete Carmen. Sie versuchte ein spöttisches Lächeln, einen leichten Tonfall. Nikolaj stieg nicht darauf ein, aber er entspannte sich etwas.
„Mehr oder weniger. Ich spreche ein paar Sprachen, das fand Viktor nützlich. Er träumte von blühenden Geschäften im Nahen Osten. Da brauchte er jemanden, der mit den Typen reden konnte. Wir trafen verschiedene Geschäftsleute. Ich spielte den Dolmetscher für Viktor, die Gespräche verliefen positiv. Unsere Kontakte hatten großes Interesse an sowjetischer Armeeausrüstung, es blieb also nur noch die Frage zu klären, wie die Ware transportiert werden sollte. Aber wir hatten ja immer noch die Verbindung zu Francesco und seinen undurchsichtigen Vettern in Kalabrien. Die wollten sich gerne an den Geschäften beteiligen, und im Gegenzug organisierten sie einen Abschnitt der Transportstrecke. So fing das Ganze an.“
„Und wenn man da einmal drinsteckt“, spekulierte Carmen, „dann kommt schnell eins zum anderen.“
Er nickte. „Alles entwickelte sich prächtig, aber irgendwann tauchte ein Typ auf, ein tschechischer Waffenhändler, der versuchte, uns aus dem Geschäft zu drängen. Er hat uns viel Ärger gemacht. Wir mussten etwas unternehmen. Jemand musste den Kerl aus dem Weg räumen. Das war, wenn du so willst, ein Wendepunkt. Du tust etwas, und plötzlich findest du dich auf einem anderen Level. Du erreichst eine neue Toleranzschwelle für dich selbst. Beim zweiten Mal ist es schon leichter, weil du weißt, was dich erwartet. Mit der Zeit wurde es ein lukratives Geschäft. Viktor vermittelte die Jobs. Manchmal sagte er mir die Namen der Auftraggeber, manchmal nicht. Um ehrlich zu sein – ich wollte es auch gar nicht wissen.“
„Hast du auch Unschuldige erschossen?“
Seine Augen wurden schmal. „Wer ist schon unschuldig? Wie definierst du Unschuld?“
„Vergiss es“, sagte sie unbehaglich. „Ich kann nur nicht aus meiner Haut. Vergiss einfach die Frage. Tut mir leid.“ Sie fixierte die Regenschlieren, die das Fensterglas hinunter liefen. „Was war mit Rosenfeldt? Wie ist das gelaufen?“
„Victor sagte mir, dass der Auftraggeber anonym bleiben wollte. Jedenfalls war der Job sehr gut bezahlt. Eigentlich wollten sie, dass ich den Senator direkt bei der Eröffnungsfeier erschieße, wahrscheinlich wegen der Symbolwirkung. Außerdem – und das war ziemlich ungewöhnlich – gab es die Bedingung, dass ich eine Spur lege, die auf islamistische Attentäter deutete. Es sollte so aussehen, als ob die PLO das alles geplant hätte.“ Seine Augen verengten sich in einem freudlosen Lächeln. „Da steckte mehr dahinter als einfach nur jemand, der eine Rechnung mit Rosenfeldt zu begleichen hatte.“
„Aber dann ...
„... gingen ein paar Dinge schief“, unterbrach er. „Der ursprüngliche Plan funktionierte nicht, deshalb musste ich umdisponieren. Ich konnte nicht auf die Vernissage warten, ich musste es vorher erledigen. Rosenfeldt hatte am Vormittag vor der Feier ein Treffen mit dem Direktor des Jüdischen Museums. Das war die einzige Gelegenheit. Danach herrschte ziemliches Chaos. Ich hatte überhaupt keine Schwierigkeiten, das Museum zu verlassen. Und dann ...“
Er hielt inne. Carmen beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, während sie weiterhin auf die Fensterscheibe starrte.
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