Das dunkle Fenster (German Edition)
Nikolaj schüttelte den Kopf. Dann lachte er auf, ein kurzer trockener Laut.
„Wenn ich dir das alles erzähle, müsste ich dich anschließend erschießen, meinst du nicht?“
Sie versuchte ein halbes Lächeln.
Nikolaj seufzte. „Du hast Recht, ich würde es sowieso nicht tun. Jetzt nicht mehr.“
„Beruhigend“, erwiderte sie, ohne den ironischen Unterton in ihrer Stimme zu unterdrücken.
„Danach ging alles schief“, fuhr Nikolaj fort. „Sagen wir, es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Jedenfalls flog meine Tarnung auf und ich musste verschwinden. Eine Zeitlang hatte ich das Gefühl, die ganze Welt wäre mir auf den Fersen. Natürlich waren die Polizeibehörden hinter mir her. Außerdem die CIA, aber die mussten vorsichtig agieren. In Europa können die sich nicht benehmen wie die Axt im Walde. Tja, und irgendwann kam es mir auch so vor, als wenn meine eigenen Leute mich loswerden wollten. Viktor ...“ Er stockte eine Sekunde. „Oder jedenfalls glaube ich, dass es Viktor war“, fügte er schnell ein. „Er schickte mir ein paar Killer, als ich ihn um Hilfe bat. Danach hielt ich es für das Beste, komplett unterzutauchen und aus dem Geschäft auszusteigen. Ich hatte genug Geld, und eine Reserveidentität für alle Fälle.“
„Also hast du dir das Haus in Hawqa gekauft.“
Er nickte. „Der Plan scheint aber trotzdem aufgegangen zu sein. Die Schuld für das Rosenfeldt-Attentat wurde den Palästinensern in die Schuhe geschoben.“
„Oh Gott.“ Sie stützte den Kopf auf die Handflächen. „Es ging um Politik.“
„Ja, sicher.“ Nikolaj nahm die Kaffeekanne, um sich nachzuschenken. Als er sie zurückstellte, schaltete er die Warmhalteplatte aus. „Ich glaube heute, das Attentat auf Rosenfeldt war als gezieltes Störfeuer gedacht. Jemand wollte damit die Flammen anfachen. Wenn du dich erinnerst – ein halbes Jahr zuvor fand der Gipfel in Camp David statt, um den Friedensprozess wieder in Gang zu setzen. Bill Clinton, Ehud Barak und Yasser Arafat. Sie trafen zwar kein Übereinkommen, aber damit war das Thema ja nicht gestorben, im Gegenteil. Sie führten die Gespräche weiter, den ganzen Herbst über. Sie wollten unbedingt einen Kompromiss erreichen, der für beide Seiten akzeptabel war. Und Barak machte für israelische Verhältnisse große Zugeständnisse.“
„Ja, ich weiß“, bestätigte Carmen. „Am Ende war es sein Untergang.“
„Eine Zeitlang sah es wirklich so aus, als könnten sie einen Konsens finden. Ende Dezember fassten die Amerikaner die Eckpunkte der zurückliegenden Verhandlungen in einem neuen Vorschlag zusammen und fragten beide Parteien, ob sie sich darauf einigen könnten. Als Verhandlungsbasis, um anschließend die Details zu definieren. Israel schickte seine Zustimmung nach drei Tagen. Sie wären bereit gewesen, fast hundert Prozent der besetzten Gebiete zurückzugeben. Sie waren damit einverstanden, Jerusalem zu teilen. Das war ein phantastisches Angebot.“
„Die Palästinenser haben das anders gesehen.“
„Ja, aber das spielt erst mal keine Rolle. Tatsache ist, dass die Rechtspopulisten in Israel Panik bekommen haben dürften, dass es diesmal keine heiße Luft ist. Sie konnten ja nicht wissen, dass Arafat dieses Angebot ausschlagen würde. Sie wussten nur, dass im Januar in Taba eine Konferenz angesetzt war, bei der dieses Papier verhandelt werden sollte. Und die Wahlen standen vor der Tür. Es wäre der perfekte Augenblick gewesen, um die Runde zu sprengen.“
„Mit einem öffentlichkeitswirksamen Anschlag, und einer Schokoladenspur zur PLO als Schuldigem“, führte Carmen den Gedanken zu Ende. „Die ihren Willen zum Verhandeln ad absurdum führt. Scheiße, wenn das wahr ist ...“
„Die israelische Delegation hat die Gespräche in Taba abgebrochen, nachdem ruchbar wurde, wer für das Rosenfeldt-Attentat verantwortlich zeichnet. Wer hat denn die Wahlen gewonnen, zwei Wochen nachdem Barak die Konferenz verlassen hatte? Der Likud. Die Rechten. Scharon wurde Premier und der Friedensprozess war gestorben. Von der Rückgabe besetzter Gebiete war keine Rede mehr. Stattdessen wurde eine Mauer gebaut.“
„Was willst du damit sagen?“
„Dass unser geheimer Auftraggeber irgendwo in Israel sitzen könnte. Vielleicht in der Knesset, im Parlament, wer weiß?“
Carmen fühlte ein leichtes Schwindelgefühl. Sie schloss die Augen und presste ihre Fingerspitzen gegen die Schläfen. Das war ein ungeheuerlicher Gedanke. Dass jemand aus den eigenen
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