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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Ort zeigt, nur aus verschiedenen Blickrichtungen.“
    Schlagartig legte sich Spannung auf Katzenbaums Gesicht.
    „Sieh mal hier“, Rafiq blätterte ein paar Seiten um, „diese Serie – Berlin V bis VII. Das ist eine Art Platz mit einer Statue in der Mitte. Vielleicht ist es auch ein kleiner Brunnen. Kann ich nicht genau sagen. Und jetzt“, sein Finger fuhr zu einem schmalen roten Viereck in der linken Bildhälfte, „hier. Siehst du? Könnte ein Fenster sein.“ Er tippte auf die Abbildung auf der gegenüberliegenden Seite. „Und hier.“ Eine Statue in Großaufnahme. Man konnte Details erkennen. Kopf und Schultern, die Körperlinie. Der Hintergrund suggerierte Unschärfe beim Betrachter. Rafiq deutete auf einen roten Farbstrich zwischen den Grau- und Brauntönen. „Hier.“ Dann auf der nächsten Seite. Die Wand mit dem roten Fenster war in einem anderen Winkel gemalt, so dass sich der Rahmen direkt hinter dem Kopf der Statue befand. „Was denkst du?“
    Katzenbaum zündete sich eine neue Zigarette an. „Gibt noch mehr davon?“
    „Es sind zehn Stück.“
    „Mit der Statue und diesem roten – Etwas?“
    Rafiq nickte. „Und noch mal fünf, auf denen zwar eine Statue ist, aber kein rotes Fenster. Könnte sein, dass das einfach eine andere Blickrichtung ist.“
    „Und du willst diesen Ort ausfindig machen.“
    „Er scheint viel Zeit dort verbracht zu haben.“
    „Es könnte aber auch sein“, sagte Katzenbaum, „dass er besondere Erinnerungen mit dem Platz verbindet und deshalb den Teufel tun wird, Kusowjenko dort hinzuschleppen.“
    „Weil es ein Sakrileg wäre? Möglich. Aber diese Theorie ist genauso gut wie meine.“ Er durchquerte den Raum und blieb vor dem Fenster stehen. „Fedorow scheint die Malerei mit einiger Passion betrieben zu haben. Und wo kennt ein Maler sich gut aus? An seinen Lieblingsplätzen. Weil er zig Stunden dort verbracht hat, um sie zu malen.“
    Er starrte hinab in den Hof.
    „Also, gesetzt den Fall, wir kriegen irgendwie raus, wo sie sich treffen. Was wäre dann der Plan?“
    Katzenbaum verzog die Lippen zu einem unbehaglichen Lächeln. „Wir versuchen sie zu überwachen. Vielleicht fällt ja zufällig die Information, die wir brauchen. Und danach ...“ Er runzelte die Stirn. „Danach müssen wir improvisieren.“
    „Carmen darf nichts zustoßen.“
    „Idealerweise setzen wir Fedorow fest und damit ist sie aus der Sache raus.“
    Rafiq legte die Arme in den Nacken und dehnte seine Muskeln. „Wenn ihr etwas zustößt“, sagte er leise, und versuchte nicht, den drohenden Unterton zu verbergen, „dann werde ich das nicht einfach so hinnehmen.“
    Als sie in der israelischen Botschaft ankamen, wartete ihre Verabredung bereits. Der Mann, den Grolanik organisiert hatte, lebte seit seiner Geburt in der Stadt. Er stellte sich als Felix Roth vor und gab an, dass er zwanzig Jahre in Berlin Taxi gefahren war, zehn davon in beiden Teilen. Als Rafiq ihn nach einem Platz mit einer Statue fragte, lächelte er. Dann hob er eine Hand und begann einzeln die Finger aufzurichten für jede Option, die er aufzählte. Als er zum vierten Mal die Faust ballte, unterbrach ihn Katzenbaum.
    „Sie wollen damit sagen, dass diese Beschreibung auf hundert Plätze passt.“
    „Das ist wahr.“
    „Warten Sie“, Rafiq wühlte einen der Kataloge aus seiner Tasche und schlug die erste Seite aus, „wir meinen diesen Platz hier.“
    Roth starrte eine Zeitlang auf das Bild. Dann schüttelte er den Kopf. „Keine Ahnung.“
    „Ein Platz mit einer Statue“, wiederholte Rafiq. „Und auf der Rückseite ein vierstöckiges Haus mit einem rot gestrichenen Fenster im zweiten Stock.“
    „Haben Sie sonst noch was?“, fragte Roth.
    „Kommen Sie.“ Rafiq rückte seinen Stuhl dichter an Roths Platz heran und zog auch die restlichen Kataloge aus der Tasche. „Wir sehen uns zusammen die Bilder an. Wie viel Zeit haben Sie?“
    „So viel Sie wollen.“
69 Dresden | Deutschland
     
    Sie fanden ein Restaurant in der Dresdner Altstadt, ein elegantes Lokal an der Brühlschen Terrasse. Kastanienbäume säumten die Uferstraße. Von ihrem Tisch konnten sie die Elbe und die beleuchteten Gebäude am gegenüberliegenden Flussufer überblicken. Während des Essens vermieden sie es, über Kusowjenko oder überhaupt über ihre augenblickliche Situation zu reden. Stattdessen erzählte Carmen von Duisburg, der Industriestadt in Mitteldeutschland, in der sie aufgewachsen war, und in der ihre Eltern noch immer lebten.

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