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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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einem Problem geworden. An dem Tag, da er aufgehört hatte, Delani zu sein, war auch Delanis Kunst gestorben, sein Stil, seine unverwechselbare Art. Die letzten Spuren, verpackt in vier Lederhüllen, ruhten in einem Schließfach in Ehden.
    Wer war dann Nicolá Martin? Nikolaj hatte die Malerei nicht aufgeben wollen, also hatte er sie in Martins Identität eingewoben. Der Franzose Nicolá Martin malte Ansichten von der Heimat seiner Vorfahren. Nikolaj hatte es so entschieden und es dann einfach getan. Kunst war eben doch eine Hure.
    „Hast du mir zugehört?“, fragte sie.
    Nikolaj blickte auf. Ihm wurde bewusst, dass sie eine Frage gestellt hatte und dass er, statt ihr zu antworten, einfach durch sie hindurch gestarrt hatte.
    „Landschaften“, sagte er hastig. „Ich male Landschaften.“
    „Was ist?“ Sie stellte ihren Kaffee beiseite. „Habe ich was Falsches gesagt?“
    „Nein. Ich war nur in Gedanken.“
    Nichts über schneebedeckte Zedern. Seine innere Ruhe war verflogen.

IV Horizont über dem Meer
     
    Das phönizische Tyros, errichtet auf einer Insel vor der östlichen Mittelmeerküste, trotzte fast dreitausend Jahre lang den Begehrlichkeiten goldgieriger Feldherren. Selbst der große Nebukadnezar II., der die Stadt dreizehn Jahre lang belagerte, musste sich schließlich eingestehen, dass Tyros uneinnehmbar war. Erst Alexander dem Großen gelang es, Tyros zu erobern. Er ließ einen Damm vom Festland zur Insel bauen und nahm die Stadt im Jahr 332 vor Christi ein. Im Laufe der Zeit lagerte sich Schwemmland am Damm an und verwandelte die Insel in eine Halbinsel. Heute steht auf den Fundamenten des alten Tyros die Hafenstadt Sur.
33 Sur | Libanon
     
    Von außen sah das Lokal aus wie eine billige Touristenfalle. Die Hauswände waren weiß gekalkt und mit einem bunten Fries aus Landesflaggen bemalt. Knapp unterhalb der Dachkante blinkte eine Lichterkette, an der Wand lehnten ineinander gestapelte Plastikstühle. Die Tür stand offen und gab den Blick auf einen Perlenvorhang frei. Aus dem Gastraum wehte arabische Popmusik.
    Nikolaj musterte unauffällig das Publikum, als er den Raum betrat. An den Tischen saßen ausnahmslos Männer. Er registrierte grobe Kleider, Arbeitsschuhe, ledrige Gesichter, die von der Sonne braungebrannt waren. In einer Ecke lärmte ein Spielautomat.
    Nikolaj steuerte den Bartresen an und bestellte Arrak. Es war später Nachmittag und nicht besonders viel los. Der Barkeeper, ein unscheinbarer Mann mittleren Alters, der einen gelangweilten Eindruck machte, ließ sich schnell in eine Unterhaltung verwickeln. Sie redeten über die Wirtschaft und darüber, dass die traditionelle Fischerei immer mehr durch den Tourismus als Haupteinnahmequelle verdrängt wurde. Der Barmann hieß Manuel. Er erzählte, dass sein älterer Bruder jahrelang auf einer Thunfischfangflotte gearbeitet hatte, bis der Besitzer wegen illegaler Fangpraktiken verklagt worden war.
    „Ach, die Regierung“, murrte Manuel, „die haben doch keine Ahnung. Die denken, sie können einfach irgendwelche Gesetze erlassen und scheren sich nicht drum, wenn sie die Familien hier an den Bettelstab bringen.“
    Nikolaj nickte mitfühlend. „Und was macht er jetzt, dein Bruder?“
    „Das“, die Stimme des Barkeepers senkte sich etwas, „darf ich eigentlich gar nicht wissen.“ Er nahm die Arrakflasche und schenkte Nikolaj nach, dann goss er sich selbst ein Glas ein und prostete seinem Gast zu.
    Zwei Sätze später erzählte er es doch. Manuels Bruder war Seemann, deshalb fühlte er sich nur wohl, wenn er Schiffsplanken unter den Füßen hatte. Da mit der Fischerei ohnehin fast kein Geld mehr zu verdienen war, war er in eine andere Art von Geschäft eingestiegen, das an der libanesischen Küste beinahe soviel Tradition besaß wie der Fischfang. Er hatte sich einer Gruppe von Schmugglern angeschlossen, die von Sur aus regelmäßig griechische und zypriotische Häfen anliefen. Nach einer weiteren Stunde wusste Nikolaj den Namen des Kapitäns. Der Mann hieß Jean-Martin Delacroix und kehrte selbst gelegentlich in der Bar mit den bunten Flaggen ein. Delacroix hielt sich seit ein paar Tagen wieder in der Stadt auf.
    „Hör mal“, Nikolaj lehnte sich über die Theke und legte Manuel verschwörerisch eine Hand auf die Schulter, „kannst du diesen Delacroix für mich anrufen? Und ihn fragen, ob er sich mit mir treffen würde?“ Manuels Augen wurden groß. Nikolaj griff mit der anderen Hand in seine Hosentasche und förderte ein paar

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