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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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absetzen werden.“
    „Aha“, konstatierte Shalev steif. „Und wann und wo ist das?“
    „Sie fahren die Nacht durch und erreichen die Küste am darauf folgenden Morgen gegen fünf Uhr.“ Katzenbaum verstand nicht, wieso seine Begeisterung nicht auf Shalev übersprang. „Hast du mir eigentlich zugehört? Zypern! Das ist so gut wie zu Hause. Wir können einen Trupp Kidons schicken und ihn an Ort und Stelle hochnehmen, ohne dass uns irgendjemand ans Bein pinkelt. Libanon ist ein Problem, das sehe ich ein. Zypern ist eine ganz andere Geschichte. Da gibt’s so gut wie kein Risiko.“
    „Wie habt ihr ihn eigentlich gefunden?“
    „Die Syrer haben ihn für uns aufgespürt.“
    „Die Syrer“, wiederholte Shalev matt.
    „Erzähle ich dir in Ruhe, wenn ich zurück bin.“
    „Schreib es in den Bericht.“ Shalev räusperte sich. „Oder wenn ich’s mir recht überlege, schreib es lieber doch nicht rein.“ Er schwieg einen Moment. „Cohen macht mir hier die Hölle heiß. Er geht davon aus, dass ihr längst das Land verlassen habt. Du solltest dir besser eine gute Erklärung ausdenken, wo du diese Information her hast.“
    „Was heißt das?“, fragte Katzenbaum, plötzlich ernüchtert.
    „Dass ihr seit anderthalb Tagen ohne offizielle Genehmigung operiert“, sagte Shalev müde. „Aber das weißt du, das habe ich dir gesagt.“
    „Er hat immer noch die Frau in seiner Gewalt“, schob Katzenbaum nach. Er hatte plötzlich einen schalen Geschmack im Mund. „Carmen Arndt.“
    „Ja richtig. Diese Deutsche, die für uns arbeitet.“
    „Er wird sie wahrscheinlich mitnehmen.“
    „Das heißt, wir kriegen sie vielleicht doch noch frei.“ Eine lange Pause entstand.
    „Binyamin“, sagte Katzenbaum dann, „du kannst das jetzt nicht abblasen. Du weißt genauso gut wie ich, dass wir das zu Ende bringen müssen. Das ist eine große Chance, und Gott vergib mir, ich kann, nein, ich will sie mir nicht entgehen lassen. Geht’s dir nicht manchmal so, dass du nachts nicht einschlafen kannst, weil du dich fragst, ob Operation Wüstenwind gerechtfertigt war?“
    „Doch“, Shalevs Stimme klang dumpf. „Ich will ihn. Ich will ihn wirklich.“
    „Dann tu, was du kannst, damit ein Team in der Bucht wartet, wenn Fedorow einen Fuß auf den Strand setzt. Wir werden den nächsten Flug nach Larnaca nehmen, aber dann müssten wir uns immer noch um die Ausrüstung kümmern.“
    „Gut.“ Shalev gab nach. Katzenbaum stellte sich vor, wie er in seinem Schlafzimmer stand, das Fenster geöffnet, das graue Haar ungekämmt und wirr vom Kopf abstehend. Vielleicht war er auch hinunter in die Küche gegangen oder ins Wohnzimmer, um seine Frau nicht zu wecken. „Gut“, wiederholte er. „Ich setze alle Hebel in Bewegung.“
    „Danke, Binyamin“, sagte Katzenbaum. Er warf einen Blick hinauf zum erleuchteten Fenster der Wohnung. Rafiq war bereits vorgegangen.
    Es war ein gutes Team, dachte Katzenbaum, aber sie waren so jung. Sie erwarteten so viel. Sie hatten noch nicht gelernt, mit Enttäuschungen zu leben. Vor allem Rafiq, in dem Katzenbaum stets mehr gesehen hatte als einfach nur einen Agenten, den sie umgedreht hatten. Es war nichts, das sie offen aussprachen, aber zwischen ihnen war etwas gewachsen in all den Jahren. Etwas, das in einem Gefängnistrakt in Megiddo seinen Anfang genommen hatte und das sich über die professionelle Gleichgültigkeit erhob, die den Umgang in ihrem Geschäft prägte. Vielleicht lag es daran, dass Rafiqs Naturell so ganz anders war. Emotional und leicht zu begeistern, lebte er mit allen Sinnen. Er hielt Katzenbaum einen Spiegel vor, er verkörperte vieles, was Katzenbaum selbst hatte sein wollen, vor langer Zeit. Rafiq personifizierte alles, was er sich von einem Sohn gewünscht hätte.
    Wenn, ja, wenn es ihm gelungen wäre zu heiraten und eine Familie zu gründen. Wenn er sein Leben anders hätte führen können. Wenn er es wirklich gewollt hätte. Aber das waren müßige Gedanken, denen er nicht weiter folgen mochte. Er ertrug es nicht, Rafiq zu enttäuschen. Und er wusste, dass sie ihn verlieren würden, wenn es dem Mossad nicht gelang, Carmen zurückzuholen.
37 Sur | Libanon
     
    Nur ein Schuss. Eine einzige Patrone befand sich in der Kammer. Es war zum Verzweifeln. Carmen stand vor der Tür und zielte auf das Schloss. Dann ließ sie die Pistole sinken. Wenn es ihr nicht gelang, das Schloss beim ersten Versuch zu zerstören, war die Kugel verloren. Und selbst wenn sie die Tür aufbrechen konnte –

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