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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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musikalischen Rahmen gesorgt. Da hat Rose der Geigerin einfach ihr Instrument aus der Hand genommen und selbst zu spielen angefangen, und zwar sehr gut. Leider hat sie das Stück gewechselt und ein lustiges, aber ziemlich vulgäres Lied aus den Varietétheatern zum Besten gegeben. Sie werden die Details wahrscheinlich lieber nicht genau wissen wollen, aber die Szene war … denkwürdig.«
    »O Gott!« Applegate wurde kreidebleich. »Inwiefern?«
    Hester zögerte.
    »Inwiefern?«
    »Sie hat sich unverblümt dazu geäußert, was die Leute übereinander sagen und was sie eigentlich damit meinen – und dabei Namen genannt! Es tut mir leid.« Ihr Mitgefühl war aufrichtig.
    Er starrte sie an. Langsam verpuffte sein Zorn. »Ich hätte es Ihnen sagen sollen. Sie … hat früher …« Er breitete hilflos die Arme aus. »Sie hat das seit Jahren nicht mehr getan! Warum gerade jetzt?« Seine Augen flehten sie um eine Erklärung für dieses Verhängnis an, das ihn aus heiterem Himmel heimgesucht hatte.
    Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. »Alan Argyll!«, sagte sie laut. »Er muss ihr etwas ins Glas gegeben haben! Er hat begriffen, dass wir dort waren, um seine Frau zu einer Aussage vor Gericht zu überreden! Roses Verhalten hat sich schlagartig verändert, nachdem er zu uns getreten war. Kann es sein, dass er über … ihre Schwäche Bescheid wusste?« Sie würde weder ihn noch seine Frau beleidigen, wenn sie die Dinge jetzt beim Namen nannte. Es war längst zu spät, um noch den Schein aufrechtzuerhalten.
    »Wenn er sich die Mühe gemacht hat, es herauszufinden«, gab Applegate zu. Langsam ließ er sich in den großen Ledersessel sinken, womit er es ihr freistellte, ebenfalls Platz zu nehmen, wenn sie wollte. Er sah zerzaust und zerknittert aus wie eine Stoffpuppe, aus der jemand die Füllung gerissen hat. »War es sehr schlimm?«, krächzte er, ohne Hester anzusehen.
    Wenn sie log, würde sie ihn nur noch mehr verletzen. »Ja«, sagte sie schlicht. »Abgesehen davon war es wirklich lustig, und alles, was sie sagte, traf den Nagel auf den Kopf. Aber ich fürchte, gerade weil es die Wahrheit war, werden die Leute es weder vergeben noch vergessen.«
    Er saß stumm da.
    Allmählich erreichte die Wärme Hester. Der Saum ihres Rocks, der fast den Ofen berührte, dampfte leicht. Spontan kniete sie sich neben Applegate. »Es tut mir sehr leid. Wir dachten, es wäre für eine gute Sache und wir könnten gewinnen.«
    »Es ist ja auch für eine gute Sache«, sagte er leise. Es schien, als wollte er noch etwas hinzufügen, aber dann überlegte er es sich anders.
    »Wird sie sich davon erholen?«, fragte Hester. »Morgen? Übermorgen?« Sie kam sich plötzlich dumm vor. Applegate selbst würde sich nie davon erholen! Er würde sich auf seinem Posten nicht halten können. Nach diesem Eklat würde er Rose nie wieder zu einem gesellschaftlichen Ereignis mitnehmen können. Möglicherweise würde er es sogar unerträglich finden, allein auszugehen.
    Er hob ruckartig den Kopf. Sein Blick ging ins Leere. Furcht und Erschöpfung waren in seinen Augen zu erkennen, aber es glomm auch Entschlossenheit darin. »Ich werde meinen Sitz im Parlament aufgeben. Wir gehen aufs Land zurück. Wir haben ein Haus in Dorset. Dort können wir viel Gutes tun. London werden wir für immer den Rücken kehren. In Dorset ist es ruhig und schön, und ich glaube, wir werden dort glücklicher sein als hier. Wir werden einander haben, und das ist mehr als genug.«
    Hesters Augen füllten sich mit Tränen. Dieser Mann musste seine Frau wirklich tief und bedingungslos lieben, dass er sein ganzes Glück im Zusammenleben mit ihr sah. Wenn er zornig gewesen war, dann gewiss nicht auf sie, sondern höchstens auf sich selbst, weil er ihre Schwäche kannte und nicht vermocht hatte, sie davor zu schützen.
    »Verzeihen Sie mir«, entschuldigte sich Applegate. »Möchten Sie etwas essen? Sie müssen ja völlig durchgefroren sein! Ich … hätte Ihnen keine Vorwürfe machen dürfen. Wie hätten Sie sie vor etwas bewahren können, von dem Sie nichts wussten? Oder möchten Sie einfach nach Hause fahren?«
    Hester brachte ein Lächeln zustande. »Eigentlich würde ich lieber gleich heimfahren und mir etwas Trockenes anziehen. Das Wetter heute Nacht ist schauderhaft.«
    »Dann wird mein Kutscher Sie heimbringen«, versprach Applegate.
     
    Monk riss die Haustür auf, fast noch bevor die Kutsche zum Stehen kam. Als Hester ausstieg, lief er ihr entgegen, ohne auf den

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