Das dunkle Labyrinth: Roman
angenehm warm.
»Guten Morgen, Orme«, antwortete Monk und zog die Tür hinter sich zu. Es waren noch drei weitere Männer anwesend: Jones und Kelly, die eifrig alle möglichen Dokumente sortierten, und Clacton, der in leicht dampfenden Kleidern vor dem Ofen stand.
Monk begrüßte sie und erhielt eine beflissene Antwort, aber nicht mehr. Er war immer noch ein Fremder, jemand, der Durbans Platz dreist übernommen hatte. Jeder wusste, dass Durban noch leben würde, wenn er Monk nicht geholfen hätte. So aber hatte er sich mit einer tödlichen Krankheit angesteckt, und dafür gaben sie Monk die Schuld. Ihrem Zorn tat es dabei keinen Abbruch, dass Durban sehenden Auges in den Tod gegangen war, weil er es für seine Pflicht gehalten hatte, großes Unheil von der Bevölkerung abzuwenden. Monk hatte dieselbe Pflicht gehabt, und er lebte noch. Das konnten sie ihm nicht verzeihen. Hätten sie die Wahl gehabt, hätten sie lieber Monk tot gesehen, jeder Einzelne von ihnen.
Kelly, ein zierlicher Ire mit sanfter Stimme, reichte Monk die Polizeiberichte der vergangenen Nacht. »Nichts Außergewöhnliches, Sir«, meldete er und sah ihm kurz in die Augen, um sofort wieder wegzuschauen. »Eine Barke ist bei Ebbe auf Grund gelaufen, aber sie haben sie wieder freigekriegt.«
»Hat man sie absichtlich stranden lassen?«, wollte Monk wissen.
»Ja, Sir, das würde ich so sehen. Bestimmt kommt bald von den Eignern’ne Anzeige rein, dass ein Teil der Ladung vermisst wird.« Kelly zeigte ein grimmiges Lächeln.
»Sie haben sie bei Niedrigwasser durch den Schlick gezogen?«, fragte Monk. »Wenn sie sich für einen ehrlichen Erwerb die gleiche Mühe geben würden, hätten sie wahrscheinlich mehr davon.«
»Schlau und klug war noch nie dasselbe, Sir«, bemerkte Kelly trocken und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Monk nahm auch Jones’ und Clactons Meldungen entgegen und sprach kurz mit Butterworth, als dieser ins Büro kam. Kelly machte Tee, der heiß und so dunkel wie Mahagoniholz war. Es würde lange dauern, bis Monk ihn mit Genuss trinken konnte. Aber ihn abzulehnen hieße, sich auszuschlie ßen. Außerdem hatte Tee den Vorzug, dass er einen von innen wärmte und den Geist auch dann belebte, wenn er nicht mit dem gern benutzten Rum angereichert war.
Als die letzten Patrouillen angelegt und Bericht erstattet hatten und die nächste losgefahren war, setzte Monk die Anwesenden über seine Entscheidung in Kenntnis.
»Die zwei Personen, die gestern von der Waterloo Bridge gestürzt sind …«, begann er.
Clacton verzog das Gesicht. »Doppelselbstmord. Streit zwischen zwei Liebenden, denke ich. Kommt mir nur ein bisschen dumm vor, dass gleich beide springen.« Er war ein kräftiger, schlanker junger Mann von überdurchschnittlicher Größe, der sich sehr ernst nahm und sich schnell beleidigt fühlte, selbst wenn es keinen Anlass gab. Entsprechend seiner vorgefassten Meinung, die er selten änderte, konnte er entweder von Nutzen oder hinderlich sein. Monk mochte ihn nicht, und auch jetzt ging ihm dieser Mann schon wieder auf die Nerven. Aber er hatte bemerkt, dass die anderen ihn daraufhin beobachteten, wie er mit Clacton umging. Das war eine weitere Bewährungsprobe.
»Allerdings«, stimmte er ihm zu, »womit sich mir die Frage stellt, ob das der tatsächliche Sachverhalt ist.«
»Ich dachte, Sie hätten es gesehen?«, entgegnete Clacton schnippisch und beugte sich in herausfordernder Pose weit vor. »Sir«, fügte er nach einer Pause hinzu.
»Vom Fluss aus«, erwiderte Monk. »Es hätte ein Unfall im Laufe eines Streits sein können. Oder sie sprang, und er versuchte, sie zu retten. Oder aber er stieß sie.«
Clacton starrte ihn an. »Weshalb hätte er das tun sollen? Außer Ihnen hat niemand davon gesprochen.«
»Ich hab’s für möglich gehalten«, widersprach ihm Orme. Auch er ärgerte sich über Clactons Verhalten. Sein einfaches, wettergegerbtes Gesicht verriet schwelenden Zorn.
»Wenn er sie stoßen wollte, warum hat er dann nicht gewartet, bis es dunkel war?« Clactons Züge spannten sich an. Er baute sich mit dem Rücken zum Kaminfeuer vor Orme auf. »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Wo noch dazu ein Polizeiboot in Sichtweite war. Nein, sie is’ gesprungen, und er hat versucht, sie zu halten, und hat dabei den Stand verloren. Klar wie Kloßbrühe!«
»Ich glaub nicht, dass er uns gesehen hat«, schaltete sich Jones jetzt ein. »Er wird die ganze Zeit sie angeschaut haben. Fürs Wasser und für uns hatte er
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