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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Treppe zum oberen Deck. Da sie sich darauf konzentrieren mussten, ihre langen Röcke nicht an den Stufen zu beschmutzen, redeten sie erst wieder weiter, als sie einen Sitzplatz gefunden hatten und die Pferde lostrotteten.
    »Dann wird uns die Suche nicht leicht fallen«, bemerkte Hester. »Mary muss wirklich ungewöhnlich intelligent und obendrein sehr praktisch veranlagt gewesen sein.«
    Rose nickte. »Das war sie unbedingt! Mit ihrem Sinn für Logik, Mathematik und alles, was mit Ingenieurswesen zu tun hat, war sie sogar etwas unweiblich. Zumindest war ihr das so bescheinigt worden, und ich denke, sie glaubte es selbst.«
    »Machte ihr das etwas aus?«
    »Ja. Es verunsicherte sie wohl ein wenig. Und sie zeigte sich in dieser Frage sehr zugeknöpft. Deswegen nehme ich an, dass sie darunter litt. Aber das Verblüffende ist: In der Woche vor ihrem Tod war sie mehr sie selbst als je zuvor! Sie hatte akzeptiert, dass sie die Begabung ihres Vaters für alles Technische hatte, und lebte dabei auf. Mrs. Monk, sie hatte bestimmt nicht vor, sich umzubringen!«
    »Auch nicht, wenn sie entdeckt hätte, dass ihr Vater sich geirrt hatte?« Hester sagte das nicht gern, aber wenn sie mögliche Widersprüche bemäntelte, wäre das nicht nur unehrlich, sondern könnte sogar ihrem gemeinsamen Ziel schaden.
    »Auf keinen Fall«, erklärte Rose, ohne zu zögern.
    Der Omnibus erreichte die Endhaltestelle. Sie stiegen aus und gingen mit schnellen Schritten um die Ecke. Hier nahmen sie den nächsten Pferdewagen zu dem Krankenhaus, in das man nach dem Einsturz an der Fleet-Kloake vermutlich die meisten verletzten Arbeiter eingeliefert hatte. Während dieser Fahrt erörterten sie die weitere Vorgehensweise und beschlossen, dass Rose als Frau eines Parlamentsabgeordneten das Gespräch führen sollte, um dann die näheren Einzelheiten von Hester erläutern zu lassen.
    Es war lange her, dass Hester in einer solchen Einrichtung gewesen war, aber das Krankenhaus war genau so, wie sie Kliniken in Erinnerung hatte. Im Flur schlug ihr der altbekannte Geruch nach verordneter Sauberkeit entgegen, die den Gestank von Krankheit, Blut, Kohlenstaub und Alkohol übertünchte. Da waren die nervösen Assistenzärzte, die in dieser typischen Mischung aus Arroganz und Angst herumliefen, die ihr verriet, dass sie kurz davorstanden, ihre erste Operation durchzuführen, von eigener Hand Fleisch aufzuschneiden und damit entweder Heilung oder den Tod zu bringen.
    Sie musste unwillkürlich darüber lächeln, wie sie früher in ihrer Naivität geglaubt hatte, sie könne – bis auf ganz wenige Dinge – alles verändern.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie beim zuständigen Arzt vorgelassen wurden. Rose schlug sich hervorragend. Hester, die hinter ihr stand, sah, wie sie die Hände vor Anspannung ineinander verkrampfte, und verstand, dass dieser Fall ihr ein Herzensanliegen war, selbst wenn sich Rose, der Not gehorchend, als meisterhafte Lügnerin erwies.
    »Wie freundlich von Ihnen, Dr. Lamb«, flötete sie. »Ich soll verschiedene Fakten für meinen Mann in Erfahrung bringen, damit ihm keine Fehler unterlaufen, wenn er im Parlament Rede und Antwort steht.«
    Dr. Lamb, ein Herr mittleren Alters mit grau gesprenkeltem, sandfarbenem Haar und randlosen Augengläsern, war nicht ganz so groß wie Rose, sodass er zu ihr aufschauen musste. »Natürlich, Miss … Mrs. Applegate. Was möchte der ehrenwerte Herr Abgeordnete wissen?«
    »Es ist im Grunde wirklich einfach«, antwortete Rose, die immer noch vor seinem Pult stand und ihn so zwang, ebenfalls stehen zu bleiben. »Es geht um die Natur und die Häufigkeit schwerer Verletzungen beim Bau des neuen Abwassernetzes.«
    »Dringend nötig!«, sagte Lamb ernst. »Der Zustand der öffentlichen Hygiene in dieser Stadt ist eine Schande für das Empire! Man könnte fast meinen, wir lebten am Rande der Welt, nicht in ihrem Zentrum!«
    Rose atmete ein und ließ die Luft durch den Mund entweichen. »Sie haben vollkommen Recht!«, bestätigte sie diplomatisch. »Darum ist es ja so wichtig, dass alles, was wir sagen, hieb-und stichfest ist. Das Parlament in die Irre zu führen ist eine unverzeihliche Sünde, verstehen Sie?«
    »Ja, ja.« Dr. Lamb nickte eifrig und schob seine Augengläser weiter nach oben. »Was genau möchten Sie von mir wissen, Mrs. Applegate? Ich bin sicher, dass die entsprechenden Informationen von den betreffenden Unternehmen bereits vorgelegt wurden.«
    Die Antwort darauf hatten Rose und Hester sich schon

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