Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Kutsche beim nächsten Mal umso mehr zu schätzen wissen.« Ihr dämmerte, dass Hester mit ziemlicher Sicherheit keine Kutsche hatte. »Verzeihen Sie!«, rief sie, und erneut färbte sich ihr Gesicht rot.
    »Ich hatte eine Kutsche, bevor ich auf die Krim gegangen bin«, Hester lachte. »Vor dem Krieg hatte meine Familie ein ansehnliches Einkommen.«
    »Und Sie haben es im Krieg verloren?« Sie gingen zügig die Straße zur Omnibushaltestelle hinunter.
    »Mein Vater«, antwortete Hester. »Er wurde von einem Mann um sein Geld betrogen, der sich damit ein Vermögen erwarb. Das war ein ehemaliger Offizier der Armee, der als Invalide ins Zivilleben zurückgekehrt war. Ein Held. Zu so einem hat man Vertrauen.«
    Rose hörte anteilnahmsvoll zu, unterbrach aber nicht.
    »Mein Vater nahm sich das Leben.« Noch immer fiel es Hester schwer, darüber zu reden, obwohl es schon so lange her war. »In seinem Fall ist das ohne Zweifel die Wahrheit. Für ihn war das … angesichts der Umstände … die einzige ehrenwerte Handlungsweise. Meine Mutter starb kurz danach.«
    »Oh!« Rose blieb abrupt stehen, ohne darauf zu achten, dass sie von einer vorbeiratternden Kutsche angespritzt wurde. »Das muss ja unerträglich für Sie gewesen sein!«
    »Und doch muss man es ertragen.« Hester ergriff Rose am Arm und schob sie von der Straße weg. »Etwas zu tun, hilft enorm. Dann vergehen die Tage schneller, und es wird mit der Zeit besser. Glauben Sie, dass das auch Mary Havillands Triebfeder war?«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung.
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Rose ernst. »Sie war zu … zu erregt. Sie trauerte natürlich um ihren Vater, aber sie war wirklich davon überzeugt, dass es ihr gelingen würde, seine Unschuld zu beweisen …. ich meine … Ach!« Aus Entsetzen über ihre Tollpatschigkeit stieß sie fast ein Schluchzen aus. Sie trat ja von einem Fettnäpfchen ins nächste!
    Hester musste unwillkürlich lächeln. Die Situation hatte trotz aller Tragik etwas Komisches. »Ich habe nie geglaubt, mein Vater hätte unehrenhaft gehandelt«, sagte sie aufrichtig. »Wie er das sah, bezahlte er den Preis für seinen Irrtum.«
    »Was ist aus dem Soldaten geworden, der …?«
    »Er wurde ermordet. Und zwar äußerst brutal von einem Mann, den er … ausgeraubt hatte.« Hester räusperte sich. »Was war Mary für ein Mensch? Bitte erzählen Sie mir die Wahrheit und nicht etwas Geschöntes, das einem die Rücksicht auf die Toten diktiert.«
    Rose dachte lange nach. Mittlerweile hatten sie die Haltestelle erreicht und standen nebeneinander in der Warteschlange. »Ich mochte sie«, begann sie schließlich. »Das bedeutet, dass meine Meinung wahrscheinlich nicht ganz zutreffend ist. Sie vertrat tapfer ihre Überzeugungen und kämpfte unerschrocken für das, was ihr am Herzen lag. Aber sie hatte Angst vor bestimmten Formen des Scheiterns.«
    Hester nickte. »So geht es wohl uns allen. Es gibt Dinge, deren Verlust wir uns leisten können, und andere, bei denen wir wissen, dass uns etwas aus dem Herzen gerissen wird, wenn wir sie verlieren.«
    Rose sah ihr kurz in die Augen, um dann den Blick zu senken. »Ich glaube, Mary hatte Angst vor dem Alleinsein, aber auch vor einer Ehe mit jemandem, den sie nicht liebte. Und sie liebte Toby nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie ihn überhaupt mochte. Sie zog die Sicherheit vor, die sie als gute Tochter hatte. Und sie war eine wunderbare Tochter.«
    »Und darin lag kein Risiko«, ergänzte Hester.
    »Genau.« Rose sah wieder zu ihr auf. »Aber sie dachte nie an die Gefahr für sich selbst, als sie ihren Vater verteidigte. Ich glaube, es war womöglich ihr Mut, der sie das Leben gekostet hat.«
    »Sie glauben, Toby wollte, dass sie von der Brücke stürzte?«
    »Ich kenne die Argylls nur von gesellschaftlichen Anlässen her. Wir sind uns in den letzten Monaten vielleicht ein Dutzend Mal begegnet, aber jeder konnte sehen, dass sie einander sehr nahe waren. Toby war intelligent und ehrgeizig. Alan war stolz auf ihn.«
    »Aber Alan hatte sich in seinem Beruf bereits durchgesetzt?«
    »O ja! Und wie! Er ist sehr wohlhabend, und hoch angesehen, wie mein Mann sagt.« Sie legte die Stirn nachdenklich in Falten. »Eigentlich hat seine Firma in Fragen der Sicherheit einen hervorragenden Ruf, besser als die meisten anderen. Wenn Mary auf etwas Bedenkliches gestoßen ist, muss sie es entweder zufällig entdeckt oder es unglaublich klug angestellt haben.«
    Der Omnibus traf ein, und sie erklommen die

Weitere Kostenlose Bücher