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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kurzlebigen Wintersonne eher gedämpft wirkte.
    Sixsmiths Lippen wurden schmaler. »Ich fürchte, davon wussten wir alle. Das war bei diesem Mann nicht zu übersehen. Und um ehrlich zu sein, Mr. Monk, es gehört zu unserer Aufgabe, auf Männer zu achten, die kurz davor sind, die Nerven zu verlieren, weil sie dann zu einer Gefahr für alle werden, insbesondere, wenn sie Verantwortung tragen. Es tut mir leid.« Sein ausdrucksstarkes Gesicht verriet tatsächlich tiefe Gefühle. »Ich mochte Havilland gern, aber Sympathie und Sicherheit sind nicht dasselbe. Wenn er übergeschnappt wäre oder angefangen hätte, den Männern weiszumachen, dass dort unten gleich ein Fluss durch die Mauern brechen würde, giftige Schwaden die Luft verpesteten oder eine Decke einstürzen würde, dann hätte er eine Panik ausgelöst. Weiß Gott, was dann passiert wäre!« Er musterte Monk, um zu sehen, ob er begriffen hatte.
    Monk hatte vollkommen verstanden. Wenn ein Mann mit Havillands Rang und Erfahrung die Nerven verlor, konnte sehr leicht eine Hysterie ausbrechen, die genau das Unglück herbeiführte, vor dem er Angst hatte. Zumindest würde die Arbeit unterbrochen, womöglich sogar tagelang, mit der Folge, dass der nächste Auftrag garantiert an die Konkurrenz ginge.
    »Hatten Sie den Verdacht, das könnte Vorsatz gewesen sein?«
    Einen Moment lang war Sixsmith verwirrt. »Dass er seine Schwäche vortäuschte, meinen Sie? Dann hätte er sich die Aussicht auf Beschäftigung für immer geraubt, egal, wo, und so dumm ist keiner. Außerdem waren er und die Brüder Argyll befreundet. Mehr sogar, eingeheiratet.«
    »Ich dachte eher an Sabotage gegen angemessene Bezahlung«, erklärte Monk. Es klang in seinen eigenen Ohren hässlich, noch bevor er Sixsmith die Abscheu ansah.
    »Von einer anderen Gesellschaft?« Sixsmith’ Lippen kräuselten sich. »Wenn Sie Havilland gekannt hätten, wären Sie nie auf so eine Idee gekommen. Er mag die eine oder andere Schwäche verborgen haben und nicht unbedingt der Tapferste gewesen sein, aber er war von Kopf bis Fuß ein Ehrenmann! Er hätte sich nie verkauft – dafür lege ich meine Hand ins Feuer! Und eines können Sie mir glauben, Mr. Monk: Wenn man mit Menschen an so einem Projekt arbeitet« – er deutete mit dem Daumen zur Mündung des Tunnels -, »weiß man sehr bald, wem man trauen kann und wem nicht. Wer sich da irrt, lebt nicht immer lange genug, um darüber reden zu können.«
    »Also wussten beide Argyll-Brüder von Havillands Angst und dass er ein Sicherheitsrisiko darstellte?«
    Sixsmith’ Züge spannten sich an, und er rammte die Fäuste in die Jackentasche. »Leider, ja.«
    »Und stellte auch Mary eine Gefahr dar?«
    Darüber dachte Sixsmith einen Moment lang nach. Seine Miene verriet Unbehagen. »Eigentlich nicht. Sie hatte im Grunde keine Ahnung, wovon sie redete. Kann man … kann man es denn nicht als Unfall bezeichnen? Ich meine, Marys Tod, verstehen Sie?«
    Monk fiel auf, dass Sixsmith mit keinem Wort Tobys Tod erwähnt hatte. »Bei beiden?«, fragte er. »Mary und auch Toby Argyll?«
    Der andere Mann verstand. »Ist doch wohl zwangsläufig, oder?«
    »Nun, wenn ihr Tod kein Selbstmord war, dann war seiner es auch nicht. Die einzige logische Alternative wäre dann Mord. Könnte er die Absicht gehabt haben, sie über die Brüstung zu stoßen? Dann wäre sie nach hinten gekippt und hätte sich an ihn geklammert.«
    Sixsmith atmete langsam aus. »Sie meinen, ob sie versuchte, sich zu retten oder ihn mitzunehmen?« Seine Züge hellten sich auf. »Nein, sie hat es sich anders überlegt und wollte sich retten! So war’s. Aber leider war’s da schon zu spät. Sie war schon im Fallen, und er auch. Eine Tragödie. Ganz einfach.«
    »Sie haben nicht gesagt: ›Aber Toby hätte ihr nie etwas angetan‹«, stellte Monk fest.
    Sixsmith sah ihm fest in die Augen. »Habe ich das nicht gesagt? Na gut, wahrscheinlich nicht. Aber jetzt muss ich zurück zur Arbeit. Kann mir keinen Verzug leisten. Kostet Geld. Guten Tag noch.« Er entfernte sich mit langen, lässigen Schritten.
    Monk blieb eine kurze Weile stehen und überlegte. Erst jetzt nahm er wieder die Kälte, den Lärm der Maschine und die Rufe der Männer wahr. Was er als Nächstes eruieren musste, war der genaue Zeitpunkt, zu dem James Havilland gestorben war, oder zumindest die beste mögliche Schätzung, die ihm der Polizeiarzt geben konnte.
     
    »Wozu das, zum Kuckuck?«, entfuhr es dem Arzt, als Monk ihn in seiner Praxis aufsuchte. Er

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