Das dunkle Lied des Todes
wandern und sagte sich, es sei ein Teil von Bettys Überlebensstrategie, niemals Schwäche zu zeigen. Sie duckte sich, wenn die anderen nach ihr schlugen, und lachte, wenn sie gemobbt wurde. Es war schlimm, das mit anzusehen, aber Betty hatte ihre eigene Weise gefunden, um damit umzugehen. Sie brauchte jedenfalls keine fremde Hilfe.
Tineke steckte zwei Finger in den Mund und pfiff.
»Wollen wir dem Haus geben, was es verdient?«
Sie fing an und Vibe, Betty, Gustav und Vanessa stimmten ein und danach die anderen:
Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie
konnten zusammen nicht kommen, denn das Wasser war viel zu tief.
»Und dann noch einmal ohne Blumendorph«, rief Franz.
Das hört’ eine falsche Nonne, die tat so, als ob sie schlief, die Kerzen tat sie ausblasen, der Jüngling ertrank so tief.
Bromsen dankte für die Darbietung und bat um Ruhe.
»Der Jüngling ertrank so tief«, grölte Julius.
Eva schaute ihn warnend an.
»Die heutige Kochgruppe«, sagte Bromsen jetzt.
Wilder Protest.
»… besteht aus Vibe, Tineke, Betty und Vanessa. Ihr könnt euch in der Küche melden.«
»So ist es richtig«, rief Franz. »Die Frauen zurück an den Herd.«
Die Jungen applaudierten und verließen das Esszimmer.
Johan sagte, er hole einen Fußball, und Filip rief, er wolle Ronaldinho sein, und Blumendorph sagte, er sei der Zwischenhändler.
Bromsen sah Eva an.
»Ich habe die Kochgruppen auf der Fähre eingeteilt, ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Warum sollte ich etwas dagegen haben?«
»Weil du die Chefin bist.«
»Da hast du recht, Bromsen, ich bin die Chefin.«
»Ich liebe weibliche Bosse.«
»Warum?«
»Weil …«
»Weil was?«
»Weil sie so ungeheuer effektiv sind.«
Vibe und Tineke deckten den Tisch, sprangen in ihren identischen Strandkleidern, die sie extra für diese Gelegenheit gekauft hatten, umher wie zwei anmutige Feen. Sie sprachen darüber, dass der Nebel ihnen Afrohaare machte und dass sie natürlich ihre Lockenstäbe vergessen hätten, aber da sei es doch immerhin ein Trost, dass sie in Brugsvig niemanden kannten.
Draußen hatte Bromsen zwei Fußballmannschaften eingeteilt. Er hatte dazu eine Trillerpfeife mitgebracht. Es sah nach einem ernsthaften Spiel aus. Real Madrid gegen Barcelona. Drei in jeder Gruppe, inklusive Lehrer. Alle machten mit, außer Anders und Thomas, die in ihrem Zimmer saßen und den alten Globus sich drehen ließen.
Eva war bei ihnen gewesen und sie hatten wirklich das beste Zimmer. Bücher vom Boden bis zur Decke, ein alter brauner Globus und eine rote Chaiselongue.
»Könnt ihr euch eigentlich selbst ertragen?«
»Wir sind ziemlich tolerant«, sagte Anders.
»Er ist im Osten umgeschlagen«, Thomas öffnete das Fenster. »Der Wind, meine ich.«
»Nordosten«, korrigierte Anders.
Eva lehnte sich an den Türrahmen.
»Wollt ihr euch nicht zusammen mit Raúl und Ronaldinho bewegen?«
Thomas zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Man kann sich doch nicht immer nur amüsieren«, sagte er.
Eva ging in die Küche hinunter, wo Betty Frikadellen machte. Die Kartoffeln waren geschält und der Salat stand zum Kühlen bereit.
»Ihr seid ein gutes Team.« Eva lächelte Betty an, die gerade das Hackfleisch abschmeckte.
»Ich begreife das nicht«, sagte Betty. »Ich habe das schon tausendmal gemacht, aber es schmeckt einfach nicht so wie sonst.«
»Du bist nicht daran gewöhnt, für so viele zu kochen. Lass mich mal probieren.«
Eva kostete das rohe Hack.
»Ja, das hat irgendeinen Beigeschmack. Das ist vielleicht kein Wunder, es schmeckt so, wie das Haus riecht.«
Vanessa hielt den Kopf über die Schüssel.
»Nach Gewürznelken«, sagte sie.
Eva nickte, denn genau danach roch das Haus. Sie dachte an die Bücher oben in ihrem Zimmer. Die aus Sansibar. Sie hatte nur darin geblättert, aber immerhin hatte sie genug gesehen, um zu wissen, dass Gewürznelken die einzige Exportware der Insel darstellten.
Vor dem Haus rief Gustav, er wolle nicht in derselben Mannschaft sein wie Julius Blumendorph, wenn Julius Blumendorph die ganze Zeit Schokoladenfrösche fraß und sich nicht auf das Spiel konzentrierte.
Eva stellte sich auf Zehenspitzen und tat, was sie schondie ganze Zeit hatte tun wollen. Nämlich das kleine Plastikdings aufheben, das JB in seinem Überraschungsei gefunden hatte. Es lag zwischen den Töpfen im Regal über dem Spülbecken.
Betty kam in die Küche.
»Was machst du da, Eva?«
»Nichts.«
»Aber was ist das
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