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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjarne Reuter
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hat nichts mit Astrologie zu tun, ganz abgesehen davon, dass ich nicht an diesen Unsinn glaube. Eigentlich glaube ich nicht sonderlich viel, aber ich weiß, wenn ich keinen festen Boden unter den Füßen habe.«
    »Alles steht am Sternenhimmel geschrieben«, erklärte Betty.
    »Aber dann kauf dir doch ein Fernrohr, Betty. Bestimmt kriegst du das beim Kaufmann in Burgsvig.«
    Thomas verschränkte die Hände im Nacken.
    »In einer Nacht haben wir ihn pfeifen hören.«
    »Den Kaufmann?«
    »Max.«
    Eva schüttelte den Kopf.
    »Hör jetzt auf, Thomas. Ich sehe keinen Grund, alles noch schlimmer zu machen.«
    Anders zupfte sich am Ohrläppchen.
    »Wir haben es beide gehört. Also sind wir nach unten ins Wohnzimmer gegangen. Sie standen im Windfang und pfiffen ›Im Schnee stehen Kraut und Busch‹.«
    Betty lächelte Eva auf rätselhafte Weise zu.
    »Die wollen dich hochnehmen, Eva. Das waren nämlich Johan und Filip, die auch aufgestanden waren.«
    Eva öffnete ihre Tasche, nahm ein Brillenputztuch heraus und machte sich über ihre Brille her. Sie fand aucheinen kleinen Spiegel und sah darin zwei wilde Augen, weshalb sie den Spiegel rasch zurücklegte.
    »Warum?«, murmelte sie. »Warum stehen die Zwillinge nachts pfeifend im Windfang?«
    »Meinst du Max und Edward oder Johan und Filip?«, fragte Anders.
    Eva erhob sich.
    »Wir fahren jetzt«, murmelte sie.
    »Aber wir müssen den Kelberg nach Hause schicken«, sagte Thomas.
    »Du redest über unseren Schulleiter.«
    »Er passt hier nicht rein.«
    Betty nickte.
    »Wir müssen allein sein«, flüsterte sie. »Elf plus zwei, sonst ergibt es keinen Sinn.«
    »Aber wir können ihn doch nicht aus dem Haus werfen. Mal ganz abgesehen von   …«
    Eva beendete den Satz nicht, sondern machte eine hilflose Handbewegung.
    Thomas sah Anders an.
    »Überlass das uns. Wir sind Experten.«
    Anders lächelte sein seltenes Lächeln, wurde dann aber rasch wieder ernst.
    »Noch vor heute Abend ist er aus dem Spiel.«
    »Aber was ist mit uns anderen?«, murmelte Eva.
    »Wir bleiben bis zum bitteren Ende«, sagte Anders.
    »Eva!«, rief Bromsen.
    Er stand mit einem strahlend lächelnden Willy Kelberg zusammen, der sich ein oranges T-Shirt mit einem Bild der Mittelalterfunde gekauft hatte.
    Eva stand auf und ging zum Ausgang hinunter.
    Anders folgte ihr.
    »Weißt du, was mir fehlt?«, fragte er.
    Eva sah ihn an. Er lächelte sein kleines, in sich gekehrtes Lächeln.
    »Mir fehlt der Glockenschlag der Schlosskirche. Einfach nachmittags in der Sonne zu sitzen und die Rosskastanien anzusehen und den fetten Tauben zuzuhören. Das gefällt mir an der Schule, die Stille, wenn alle anderen nach Hause gegangen sind. Ich glaube, viele gehen deshalb segeln. Sie sehnen sich nach der Ruhe. Dem Geräusch von Holz, das sich bewegt, dem Wind in den Segeln, den ächzenden Tauen. Hast du je von einem Mythos namens Tristan da Cunha gehört?«
    »Hat der etwas mit der Schule zu tun?«
    »Nicht im Geringsten. Aber vielleicht hat er etwas mit uns zu tun.«
    Kelberg rief Eva, fragte, ob sie kein T-Shirt wolle.
    »Als Erinnerung an eine wunderbare Klassenreise«, rief er.
    »Diesmal nicht.«
    Er stand vor dem Andenkenkiosk.
    »Ich fürchte, dass das in der Wäsche einläuft. Vielleicht hätte ich es in L kaufen sollen?«
    »Entschuldige, was hast du gesagt, Willy?«
    »Mein T-Shirt . Laufen die in der Wäsche nicht ein? Ich hab im letzten Jahr im Guggenheim in New York ein prachtvolles gekauft. Nach zweimal Waschen war es nur noch halb so groß. Jetzt trägt es Locke, mein Königspudel.«
    »Vielleicht solltest du mal zum Psychiater.«
    »Was hast du gesagt, Eva?«
    »Ich habe gesagt, wie gut, dass es Locke passt.«
    »Ja, dann ist das Geld nicht aus dem Fenster geworfen. Und sie wissen schon, was sie dafür nehmen können, da drüben in New York.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Eva schaute hinter Anders her, der gerade hinausging. Fühlte plötzlich eine neue Verbundenheit mit dem langen dünnen Jungen, der sich nach dem Geräusch der Tauben und der Nähe der Schlosskirche sehnte.
    »Träumst du, Eva?«
    »Ja, Betty, ich träume. Vom Duft von frisch gemähtem Gras.«
    »Das ist ja auch erlaubt.«
    Betty war wieder zur alten Betty geworden. Die, die ihre Klassenlehrerin beim Arm nahm. Die, die sich um die Schwächste in der Gruppe kümmerte.
    »Tristan da Cunha«, murmelte Eva.
    Anders drehte sich um.
    »Da sind sie verschwunden«, sagte er.
    Eva setzte ihre Sonnenbrille auf.
    »Du meinst, untergegangen«,

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