Das dunkle Netz der Lügen
würden zu gleichen Teilen Georg Kaufmeister und Bertram Messmer, seine beiden Geschäftspartner, bekommen, so war es im Gesellschaftervertrag geregelt. Die Hausangestellten würden ebenfalls Geld bekommen, und Roberts Frau Lina sollte die Bücher erben.
Er steckte das Testament wieder zurück zu den anderen Papieren und ging sie weiter durch, ohne etwas zu finden, das ihn im Mordfall weiterbrachte.
Kramer war mit seinen Leuten schon nach unten gegangen, um die Durchsuchung in der Küche und im Salon fortzusetzen. Robert ging in das noch halbfertige Herrenzimmer. Dort standen rundherum die Regale mit den Büchern und ein paar Sessel. Nur die Wand, in die der Kamin eingelassen war, hatte Cornelius nicht mit Regalen und Bücherschränken verstellt. Hier konnte man die ursprüngliche Holztäfelung des Raumes sehen, die aber alt und nicht mehr ganz in Ordnung war. An zwei Stellen wölbten sich die einzelnen Paneele etwas, vermutlich aufgrund der Hitze des Kamins.
Robert trat näher und sah sich die beiden Elemente an. Das eine war eindeutig durch die Hitze verformt, ein langer dünner Riss ging mitten hindurch. Aber das andere schien ihm falsch eingesetzt. Vorsichtig rüttelte er daran, und dann hatte er es in der Hand. Dahinter befand sich eine Öffnung in der Ziegelwand des Hauses – und hier lagen viele Schmuckstücke, die offensichtlich jemand hastig hineingeworfen hatte. Das Saphircollier hatte Robert einmal an Elise gesehen.
«Recke!», rief Robert in den Salon.
«Stellen Sie das sicher!», sagte er, als der Sergeant hinzukam.
Das war nicht, was er gehofft hatte zu finden. Die Schlinge um den Hals des Barons zog sich weiter zu.
Es war kurz nach Mittag. Robert war zum Mittagessen nicht heimgekommen, und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte Lina sowohl für ihn als auch für Cornelius von Sannberg einen Topf mit Mittagessen ins Rathaus gebracht, den Rose trug. Es roch verführerisch nach Sauerkraut und Wurst.
Elise von Sannbergs Schmuck lag noch auf Roberts Schreibtisch, Lina erkannte ihn sofort.
«Ihr habt ihn gefunden?», fragte Lina.
«Ja, aber leider hinter der Wandverkleidung von Cornelius’ Herrenzimmer», sagte Robert.
Lina hielt sich vor Schreck den Mund zu.
Rose kamen die Tränen.
«Weiß er es schon?», fragte Lina.
«Nein, ich wollte gerade mit ihm reden.»
«Aber erst, nachdem ihr beide gegessen habt.» Lina nahm zwei Teller und Besteck aus dem Korb und verteilte das Sauerkraut mit Püree auf die Teller. «Ich bringe Cornelius jetzt das Essen.»
«Lina, ich werde ihn an den Staatsanwalt überstellen müssen.»
Sie nickte. «Ich weiß.»
Rose nahm den zweiten Teller und trug ihn hinter Lina her in den Keller. Für einen Moment erschauerte sie bei dem Gedanken, dass das Polizeigewahrsam, wo Cornelius von Sannberg untergebracht war, nur durch zwei Räume getrennt war von dem Raum, in dem man seine Frau obduziert und nun aufgebahrt hatte. Wenn der Schreiner mit dem Sarg kam, würde er es von seiner Zelle aus sehen können.
Der Baron freute sich offensichtlich, Lina zu sehen. Er war dankbar für das gute Essen.
«Das hättest du dir auch nicht träumen lassen, Lina, dass du mich einmal hier besuchen musst.»
«Ich habe Rose mitgebracht, damit du ihr auftragen kannst, was sie dir aus dem Haus holen soll an Kleidung. Oder vielleicht auch ein Buch. Schließlich bist du … nicht verurteilt.» Lina erschreckte es, dass sie beinah «noch nicht» gesagt hätte.
«Schön, dass du an mich denkst. In drei Tagen ist Elises Beerdigung, und ich hatte ihrer Mutter telegraphiert. Sie will herkommen, übermorgen Abend wird sie eintreffen, und da ist niemand, der sie empfängt. Beatrice begleitet ihren Mann noch einmal auf einer Reise, wohl zum letzten Mal, bis das Kind kommt.» Cornelius wirkte besorgt. «Ich habe auch alles in der Gesellschaft ‹Erholung› organisiert, aber nachdem ich nun hier sitze unter diesem ungeheuerlichen Verdacht, wird wohl kaum einer einen Leichenschmaus mit mir abhalten.»
«Mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich schon um den Leichenschmaus und deine Schwiegermutter», sagte Lina. «Was für eine Frau ist sie? Kann sie bei mir wohnen, oder wäre es besser, ich miete ihr Zimmer bei Heckmann?»
«Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht. Elise hat nie viel von ihrem Elternhaus gesprochen. Auch bei der Hochzeit waren sie nicht dabei. Nun ja, es war ja auch schon die dritte.»
«Sagst du uns noch, was du brauchst?»
«Ein frisches Hemd und Unterwäsche.»
Lina
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