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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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sich sicher, dass er spätestens dann auf den aufgeblasenen, bigotten Mann losgegangen wäre.
    Trotzdem war ihm unwohl, wenn er an seine letzte Begegnung mit seiner Mutter dachte. Dieser furchteinflößende Kerl. Die halbnackte Pepi und das Geld, das sie von dem Mann an der Tür bekommen und dann Kellerer abgeliefert hatte. Wenn seine Mutter deswegen den Prozess verloren hatte, dann warsie auf dem besten Weg, denselben Fehler zu wiederholen, den sie damals mit dem Maler gemacht hatte.
    Plötzlich überfiel ihn ein schrecklicher Gedanke: Der Richter hatte verboten, dass seine Mutter ihn sehen dürfe. Was, wenn sie einfach abreiste und verschwand?
    Der Gedanke setzte sich fest. Leise stand er auf und ging hinüber in das Zimmer seines Bruders Josef und rüttelte ihn wach.
    Schlaftrunken sah Josef ihn an.
    «Wir müssen zu Mutter. Jetzt sofort.»
    Josef setzte sich auf. «Der Richter hat es doch verboten.»
    «Eben!», sagte Emil. «Wenn sie jetzt abreist, dann sehen wir sie vielleicht nie wieder.»
    Josef runzelte die Stirn. Er konnte es nicht leugnen, das machte Sinn. «Und was hast du vor?»
    «Na, zu ihr nach Duisburg zu gehen.»
    «Jetzt, in der Nacht?»
    Emil nickte entschlossen. «Wir müssen zum Hafen und jemand finden, der uns über die Ruhr setzt. Die Fähre fährt erst morgen früh wieder, und da stehen immer Onkel Roberts Leute.»
    «Dafür brauchst du Geld.» Josef sah Emil an. «Du willst an meine Ersparnisse!»
    «Josef! Selbst wenn du lieber bei Onkel Georg und Tante Aaltje bleiben willst, findest du es richtig, dass Mutter uns nicht mehr sehen darf?»
    Josef schüttelte den Kopf. «Nein, du hast recht. Ich will sie auch noch einmal sehen, bevor sie abreist.»
    «Dann zieh dich schnell an!»
     
    Es dämmerte schon, als Josef und Emil in Duisburg ankamen. Sie hatten sich die Mützen der Hausknechte genommen, die im hinteren Flur an einem Haken hingen, und sahen kaumanders aus als die jungen Knechte und Arbeiter, die so früh am Morgen schon unterwegs waren. Am Hafen hatten sie tatsächlich einen leicht betrunkenen Schiffer gefunden, der bereit war, sie mit einem kleinen Boot über die Ruhr zu bringen.
    Das Haus an der Wallstraße lag in tiefem Dunkel. Josef schien nicht verwundert, dass Emil sich hier gut auskannte. Emil klopfte laut an die Tür seiner Mutter, aber es blieb still.
    «Sie ist wohl schon fort», sagte Josef. Emil ließ sich weinend auf der Treppe nieder.
    Plötzlich ging im unteren Stockwerk eine Tür auf, und jemand kam die Treppe herauf.
    «Das Lumpenpack ist weg!», sagte die Frau.
    Da Emil gar nicht reagierte, fragte Josef: «Wohin sind sie?»
    «Hauptsache weit weg!»
    Das war zu viel für Emil. Er sprang auf, packte die Frau und schüttelte sie heftig. Da er fast einen Kopf größer war als sie, bekam sie große Angst.
    «Meine Mutter! Wo ist sie hin?», schrie er.
    «Hör auf damit, Emil», sagte Josef ruhig.
    Emil ließ die Frau los. Resigniert wandte er sich zum Gehen, hielt aber plötzlich inne. «Sind sie abgereist?», fragte er.
    «Nnnein. Ich   … ich glaube nicht. Ich hörte, wie sie von einem Haus an der Oberstraße sprachen. Da sind sie wohl hingezogen.»
    «Oberstraße, wo ist die?», fragte Emil.
    Die Frau erklärte es ihnen, und die beiden stürmten los.
     
    Es gab einige Häuser an der Oberstraße, aber sie hatten Glück und fanden eines, vor dem ein großer leerer Karren stand, auf dem sich noch ein paar Möbel befanden. Ein Kerl lungerte im Hauseingang herum, offensichtlich bewachte er den Karren.
    «Wohnt hier Mina Bleibtreu?», fragte Emil.
    Der Kerl nickte und zeigte auf eine Tür im Hausflur. «Da!», sagte er nur.
    Emil klopfte an die Tür, und binnen weniger Sekunden waren er und Josef von zwei großen Männern überwältigt, die im Wohnraum Wache gehalten hatten. Der Kerl an der Tür lachte laut.
    Der Krach hatte Kellerer und Mina geweckt.
    Während Mina sich rasch ihren Morgenmantel überwarf, kam Kellerer, nackt bis auf ein Paar Unaussprechliche, aus dem Schlafzimmer. Er brauchte einen Moment, um Emil zu erkennen und zu begreifen, was hier vor sich ging.
    «Lasst sie los. Das sind Minas Bengel.»
    Josef sah ihn starr vor Angst an. Dann aber stürzte sich Mina auf ihren jüngeren Sohn, den sie seit ihrem Auftritt in Ruhrort nicht mehr gesehen hatte. «Josef, mein Kleiner, mein Schatz!»
    «Was in aller Welt wollt ihr beide hier?», brummte Kellerer.
    «Ich dachte   … ich dachte, wenn Mutter jetzt abreist   … dann sehen wir sie nie

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