Das dunkle Netz der Lügen
Emil?», fragte Mina.
«Schläft wohl», brummte Kellerer.
Mina öffnete die Schlafzimmertür, und das Erste, was sie sah, war Pepis blonder Schopf auf ihrem Kopfkissen – daneben der schlafende Emil.
«Raus aus meinem Bett!» Minas Stimme war ruhig und eiskalt.
«Nun stell dich nicht so an, Mina», sagte Kellerer, der nun in der Tür stand.
Emil öffnete die Augen und sah direkt in Pepi Saalbachs Gesicht. Sie kicherte. «Wach auf, Junge, jetzt gibt es Ärger. Deine Mutter ist nicht erfreut …»
Er setzte sich auf. «Tag, Mutter», war alles, was er herausbrachte.
Mina starrte ihren Sohn entsetzt an. Er war nackt, und sie begriff sofort, was geschehen war.
«Ich wollte dem Jungen nur eine Freude machen», sagte Kellerer. «Schließlich ist er alt genug.»
«Zieh dich an, Emil. Draußen!» Sie schob Emil und Pepi energisch an Kellerer vorbei durch die Tür, zog Kellerer hinein ins Zimmer und schloss die Tür.
«Mein Junge ist zu schade für deine billigen Huren, Mathis. Ich will nicht, dass nur eine von ihnen ihn je wieder anrührt, hast du mich verstanden?»
Kellerer blickte amüsiert auf die wütende Frau. «Geh, Mina, das ist doch jetzt alles gleich. Das Gericht hat entschieden, da musst du nicht mehr züchtig sein.»
«Emil wird nicht Teil deiner Bande, Mathis. Er wird ein anständiger Bürger.»
Kellerer lachte laut auf. «Und finanzieren willst du das mit meinem unanständigen Geld? Da hättest du dir den ganzen Prozess auch sparen können. Anständig werden kann er am besten bei seinem sauberen Onkel.»
Mina senkte die Stimme. «Es ging mir auch nicht darum, sie bei mir zu haben. Ich wollte nur meinem scheinheiligen Bruder eins auswischen.»
«Dann ist es also mit deiner Mutterliebe nicht weit her …»
«Du hast keine Ahnung von Mutterliebe. Die beiden von dir und deinem Lebenswandel fernzuhalten und auf sie zu verzichten zeugt von weitaus mehr Mutterliebe, als sie mitzunehmen.»
«Schön zu erfahren, wie du wirklich über mich denkst, Mina.» Kellerers Stimme klang verdächtig ruhig.
«Mathis …» Mina suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sie gerade den Bogen überspannt hatte. «Mathis, du hast keine Kinder …»
«Ich will dir mal etwas sagen, meine feine Dame.» Kellerer beugte sich ganz nah zu ihr herunter. «Ich war gut genug, für dich zu zahlen, als dein vornehmer Malerfreund sich damals aus dem Staub gemacht hat. Und für dein Bett bin ich auch gut genug. Aber wenn es um deine Bälger geht, deren Vater, dieser Landesverräter, dich hat sitzenlassen, dann bin ich nicht fein genug, nicht anständig genug, nicht gut genug?» Er griff sie am Handgelenk und drückte fest zu, bis sie sich zu Boden wand.
«Mathis, nicht, du tust mir weh!»
«Das soll auch wehtun.» Er ließ los und packte sie grob an den Schultern. «Pass auf, dass ich nicht der dritte Mann bin, der dich sitzenlässt!»
«Das wirst du nicht tun», sagte Mina. «Ich bin die einzige Frau, die du je hattest, die keine Hure ist.»
«Hast du etwa gehofft, du könntest aus mir einen frommen Bürger machen?» Er sah sie kalt an, doch dann lächelte er und zog sie wieder auf die Füße. «Du hast recht, ich werde dich nicht fallenlassen. Noch nicht. Noch macht es mir Spaß. Aber nicht, weil du eine Dame bist. Denn eigentlich bist du die größte Hure von allen.»
Er griff ihr an die Kehle und drückte zu. Mina wand sich verzweifelt. «Und damit das ein für alle Mal klar ist zwischen uns, Mina. Wenn ich will, dass dein Junge eine meiner Huren vögelt, dann wird er das tun. Wenn ich will, dass die Jungen bei uns leben, werden sie das tun. Und wenn ich einem von ihnen sage, er soll sich vor einen Zug legen, wird er das tun. Hast du mich verstanden?»
Mina rang nach Luft, als er sie wieder losließ. «Ja, Mathis», krächzte sie, wich aber einen Schritt zurück.
«Vergiss niemals, wem du hier Respekt schuldest. Du gehörst mir, Mina. Und wenn ich deiner überdrüssig bin, wirst du deine Schulden bei mir abarbeiten wie jede andere meiner Huren!»
Es hatte eine Weile gedauert, bis der Inspektor, der Staatsanwalt und Robert Borghoff den Polizeidiener Wetter gefunden hatten. Im Vergleich zu Ruhrort war Duisburg recht weitläufig und fast dreimal so groß. Und was sich in Ruhrort gewöhnlich in der engen kleinen Altstadt abspielte, war hier über einige Viertel verteilt.
So brauchte Wetter auch Zeit und musste einige Wege machen, bis er herausgefunden hatte,
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