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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Augen. Sie drehte sich um und rannte die Treppe hinab.
     
    Der Sonntag war im Hause Borghoff ein ruhiger Tag. Die Näherinnen blieben zu Hause, und die Hausdiener Simon und Otto wechselten sich ab, ebenso wie Finchen und Antonie, sodass jeder von ihnen jeden zweiten Sonntag freinehmen konnte. Finchen hatte das Frühstück vorbereitet, während ihr Mann dasWasser in den Lavoirs wechselte, die Nachttöpfe ausleerte und säuberte und für genügend Feuerholz in der Küche sorgte.
    Sonntags frühstückten auch Robert und Lina mit den anderen in der Küche, dann ging es gemeinsam zur Kirche.
    Während die Hausangestellten weiter hinten Platz nahmen, gingen Robert und Lina nach vorn zu den Bänken der Familien Kaufmeister und Messmer. Sie waren vollzählig versammelt, Georg und Aaltje mit ihren drei Kindern Karl, Elisabeth und Carolina und ihren Neffen Emil und Josef, dann Linas ältere Schwester Guste Messmer mit ihrem Mann Bertram, ihren gemeinsamen Töchtern Emma und Friederike und Bertrams Sohn aus erster Ehe Eberhard mit seiner Frau Beatrice. Direkt vor ihnen saßen die Haniels, auf der anderen Seite des Mittelganges die Familien Borgemeister, Liebrecht, von Eicken und Stinnes. Fast zu spät kam Baron von Sannberg mit seiner jungen Frau Elise, die sich zu Beatrice setzten.
    Lina mochte Pfarrer Wortmann, der ein freundliches Wesen hatte, doch seine Predigten liebte sie ganz und gar nicht, sie waren ihr zu schlicht, sprachen ihren Verstand nicht an. Meist schweiften ihre Gedanken weit ab zu neuen Kleidermodellen oder dem Essensplan für die nächste Woche. Kein Wunder, dass Aaltje mich nie für fromm genug hält, dachte sie. Doch plötzlich wurde sie herausgerissen aus ihren Ideen für ein prächtiges Ballkleid. Mitten in die Predigt des Pfarrers platzte eine schwarzgekleidete Dame herein, das Gesicht unter einem schwarzen Schleier verborgen. Ohne sich um die Blicke der Gottesdienstbesucher zu kümmern und ohne den Pfarrer, der seine Predigt unterbrochen hatte, auch nur eines Blickes zu würdigen, ging sie zur ersten Bank, wo Emil und Josef saßen, und zwängte sich zu ihnen hinein.
    «Gott steh uns bei!», flüsterte hinten Finchen ihrem Mann zu.
    Dann lüftete die Fremde ihren Schleier.
    «Mama!» Der fünfzehnjährige Josef schrie fast, sein Bruder Emil blickte nur stumm zu seiner Mutter herüber. Sie lächelte ihn an.
    «Ich denke, wir sollten jetzt mit der Predigt fortfahren», rief Pfarrer Wortmann von der Kanzel. Aber wirklich ruhig wurde es in der Kirche nicht mehr.
     
    Als Hermann am Sonntagmorgen von der Schicht kam – zwei Stunden später als gewöhnlich, damit auch die Rumpfbesatzung, die die Öfen des Werks am Sonntag unter Feuer hielt, noch die Kirche besuchen konnte   –, fand er Zita schlafend im Bett vor. Auch im Haus der Witwe Heising ging es sonntags ruhig zu, sodass Zita nicht durch Lärm geweckt worden war.
    Ihre schwarzen Locken hatte sie zu zwei Zöpfen geflochten, sie trug nichts als ihre Unterwäsche. Seufzend ließ er sich auf dem einzigen Stuhl nieder und betrachtete sie. Ja, sie war wunderschön, und wie viel schöner war sie erst, wenn sie ihre dunkelbraunen Augen öffnete. Aber es half nichts. Er konnte ihr nicht trauen.
    Den ganzen Weg vom Werk nach Hause und vor allem in der Stadt hatte er versucht, Anzeichen für eine Verfolgung zu entdecken. Der Mann dort, der vor dem Haus stand? Nur ein wallonischer Arbeiter, der mit einem Freund in die Frühmesse ging. Die Frau, die hinter ihm die Dammstraße entlanglief? Eine Hure, die von einem Kahn an der Mühlenweide kam. Vielleicht stimmte es ja, was Zita ihm gesagt hatte, und sie wusste wirklich nicht, was Mina Bleibtreu in Ruhrort wollte. Vorsichtig rüttelte er sie wach.
    Sie schlug die Augen auf und erschrak. «Ich gehe gleich», sagte sie und wollte aufspringen. «Ich wusste nur gestern nicht wohin.»
    Plötzlich fiel sein Blick auf den Tisch, wo Zita das Stück Suppenfleisch, eingewickelt in Wachspapier, zwei Möhren, einStückchen Sellerieknolle, eine kleine Zwiebel und etwas getrockneten Lauch ausgebreitet hatte. «Ich wollte uns eine Suppe kochen», sagte sie und stieg aus dem Bett. «Mit viel Fleisch ganz für uns allein.» Sie deutete auf die zwei Silbergroschen, die sie dazugelegt hatte. «Damit ich dir nichts schulde.»
    Sie wand sich die Zöpfe um den Kopf und steckte sie fest, dann zog sie sich schnell an.
    «Du kannst bleiben», sagte Hermann. «Aber du musst versprechen, mir sofort zu sagen, wenn du einen alten Bekannten

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