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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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der üblichen Arbeitskleidung der Phoenix-Arbeiter. Aber er hatte eine Arzttasche bei sich.
    «Mein Gott», sagte er, als er Finchen sah. «Was für ein Tier tut denn so etwas?»
    «Ein besoffener Ehemann, Herr Doktor», presste Borghoff zwischen den Zähnen hervor.
    «Ich brauche abgekochtes Wasser und saubere Tücher», sagte er, nachdem er den Commissar begrüßt hatte. «Und wir müssen sie ausziehen, damit ich sehe, wo sie überall von den Schlägen getroffen wurde.»
    Er trat an die Kommode, auf der das Waschgeschirr stand, aber der Krug war ebenfalls zu Bruch gegangen. «Ich muss mir die Hände waschen.»
    «Ich hole Wasser und sage Maria, dass sie Wasser aufsetzen und Tücher holen soll.» Zita eilte die Treppe hinunter.
    Während sie weg war, zog Hermann vorsichtig Finchens geschwollene Lider hoch. Als Zita mit dem Wasserkrug zurückkam, zog er eine Flasche aus der Arzttasche.
    «Was ist das?», fragte Robert.
    «Bleiche. Sie säubert die Hände, dann gibt es weniger Entzündungen.» Die geöffnete Flasche verströmte einen beißenden Geruch. Er schüttete sehr wenig von der Flüssigkeit in die Waschschüssel, verdünnte sie dann mit Wasser und wusch sich gründlich die Hände darin. Er trocknete sie an einem frischgewaschenen Kinderleibchen ab, das bei den Handgreiflichkeiten bis zur Tür geflogen war.
    Währenddessen hatte Zita begonnen, Finchen auszuziehen. Je mehr Kleidung sie entfernte, desto mehr erschrak sie. Es hatte den Anschein, als gäbe es überhaupt keine Stelle an dem Körper der jungen Frau, die nicht die Zeichen von Simons Schlägen trug. Finchen kam wieder zu sich und schrie auf vor Schmerz. Anscheinend taten ihr jede Bewegung und jede Berührung weh.
    «Ich habe leider keinen Äther», sagte Hermann. «Ich fürchte, die Untersuchung wird sehr schmerzhaft für sie.» Vorsichtig begann Hermann zunächst Finchens Kopf abzutasten und fand noch zwei weitere blutende Wunden. «Das muss ich alles nähen», sagte er. Dann fiel sein Blick auf ihren rechten Unterarm. Hier gab es eine klaffende Wunde, weil sich ein gebrochener Knochen durch das Fleisch gebohrt hatte.
    Er bückte sich und hob eine kleine Kinderrassel vom Boden auf. Den Stiel schob er Finchen zwischen die Zähne.
    «Das wird jetzt sehr wehtun!» Zita wurde fast übel, als sie zusah, wie er den Knochen zu richten versuchte. Finchen, die Zähne fest auf dem Rasselstiel, stöhnte auf und wurde dann wieder ohnmächtig.
    «Brauchen Sie eine Schiene?», fragte Robert. Er hatte in den Feldlazaretten einiges gesehen.
    Hermann nickte. «Beeilen Sie sich, bevor sie wieder aufwacht! Und was immer es ist – tauchen Sie es erst in das kochende Wasser!»
    Er nutzte die Zeit, um die Kopfwunde zu nähen. Zita musste ihm helfen, vorsichtig Finchens wilde Locken um die Wunden herum abzurasieren.
     
    Robert hatte zugesehen, wie der junge Arzt Finchen versorgte. Jetzt hörte er unten die Tür. Er hatte gehofft, dass es Lina war, aber stattdessen kam Antonie herein, die ihren freien Nachmittag gehabt hatte. Er ging zu ihr hinunter. «Zieh deinen Mantel gar nicht erst aus, Antonie», sagte er leise und erzählte ihr, was passiert war. «Meine Frau ist bei den Kaufmeisters, bitte gehe sie schnell holen.»
    Antonie nickte nur und beeilte sich.
    Oben verband Hermann Demuth Finchens letzte offene Wunde. «Wie geht es ihr?», fragte Robert.
    «Sie war zwischendurch mal wach, das ist gut. Aber er hat sie wirklich übel zugerichtet. Es sind viele offene Wunden, die sich leicht entzünden können. Sie wird sicher Fieber bekommen. Und wir wissen nicht, ob sie innere Blutungen hat.» Er strich seiner Patientin kurz über den Kopf. «Ein hübsches Mädchen.»
    «Ja», sagte Robert. «Und Mutter von vier Kindern.»
    «Haben Sie Chinarinde im Haus?», fragte Hermann.
    «Ich denke schon, aber meine Frau weiß das besser. Sie ist auf dem Weg hierher.»
    «Wenn das Fieber steigt, sollte sie ihr einen Aufguss davon einflößen.» Hermann stand auf und begann, seine Tasche zusammenzupacken.
    «Vielen Dank.»
    «Sie hatten Zita gesagt, Sie würden mir einen Brief für die Werksleitung schreiben. Und dann   … ich helfe zwar gern, aber ich habe einen Lohnausfall dadurch, und ich brauche jeden Pfennig.»
    Robert nickte. «Selbstverständlich. Was bekommen Sie?»
    Hermann winkte ab. «Ich möchte nur den entgangenen Lohn ersetzt haben.»
    «Wie hoch ist denn Ihr Schichtlohn?»
    «Zwei Thaler. Ich bin Erster Puddler.»
    Zita blieb oben bei Finchen, während Robert und Hermann

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