Das Dunkle Netz Der Rache
Küchenhelfer aus dem Weg sprangen.
Der gedämpfte Gesprächslärm aus dem Bankettsaal verlangsamte weder seinen Schritt, noch entspannte sich sein Gesichtsausdruck. Er wartete am Eingang des Raums, bis er die Sommelière ausmachte, die gerade Flaschen von einem vollbeladenen Wagen herunterhob. Er ging zu ihr hinüber und drängte sie gegen den Wagen, dass die Flaschen klirrten. »Jeremy Reid«, sagte er. »Wo ist er?«
»Äh«, sagte sie.
»Wo?«
Sie deutete auf den Ausgang des Saals. »Er ist … er ist …«
»Wo?«
»In der Bar in der Lobby.«
Shaun hastete zum Ausgang, lief, so schnell er konnte, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er stürmte durch die Türen in die Lobby.
Die Lobby des Algonquin Waters war trotz der schimmernden Hölzer und großzügigen Bögen im Grunde ein Dreieck, dessen Spitze von einem großen Rechteck gestützt wurde. Der Ballsaal und die kleineren Konferenzräume lagen an der unteren Kante des Rechtecks. In einer Ecke des Dreiecks standen massive Ledersessel vor einem aus Fels gemauerten Kamin, in dem man einen ganzen Hirsch am Spieß hätte braten können. In der anderen Ecke befand sich die Lounge Bar. Am Treffpunkt von Dreiund Rechteck öffnete sich die mit Orientteppichen ausgelegte Halle zum unteren Spa-Bereich, den der Besucher über eine Kirschholztreppe erreichte. Er vermutete, dass seine kleine Freundin über ebendiese Treppe und durch die Lobby zum Parkplatz laufen würde.
Er wusste von Jeremy, dass der Hintereingang für die Angestellten Tag und Nacht verschlossen war und nur denen Eintritt gewährte, die den Code eintippen konnten. Um ihn zu treffen, musste die Erpresserin den öffentlichen Eingang benutzt haben, eine Reihe von Doppeltüren gegenüber der Treppe.
Shaun eilte durch die Lobby zur Bar. Jeremy stand hinter dem künstlich auf alt getrimmten Tresen und ging mit einem der beiden Barkeeper eine Liste durch, während der andere ein Footballspiel im Fernsehen schaute.
»Jeremy, ich muss sofort mit dir reden«, sagte Shaun mit gesenkter Stimme.
Sein Sohn sah ihn eindeutig überrascht an. »Dad? Was ist denn passiert?«
»Bitte«, sagte Shaun und signalisierte mit wedelnden Fingern »dringend«. Jeremy entschuldigte sich und verließ den Tresen. Shaun packte ihn bei den Schultern und schob ihn in eine Ecke, wo er zum Teil von einem riesigen Ficus verdeckt wurde. »Kannst du die Lobby überblicken?«
Jeremy schaute durch die grünen Wedel. »Ja.«
»Okay.« Shaun atmete geräuschvoll aus. »Du wirst jeden Moment eine junge Frau sehen, die die Treppe hochkommt. Sie trägt Jeans und eine Jacke mit der Aufschrift North Country Harley-Davidson. Ich will, dass du ihr diskret zum Parkplatz folgst.«
»Was?«
»Wenn sie in ihren Wagen steigt, musst du hinter ihr herfahren und herausfinden, wohin sie will. Dann rufst du mich an und sagst es mir.«
Sein Sohn musterte sein Gesicht. »Dad? Bist du betrunken?«
»Hör mir zu. Das ist ein Notfall. Die Frau erpresst mich. Sie … Sie will einen Unfall in der Fabrik provozieren und uns beschuldigen. Jemand könnte verletzt werden.«
»Das soll doch wohl ein Witz sein?« Jeremy sah hinüber in die Lobby, zur Bar und Lounge, ehe er wieder Shaun anstarrte. »Dad, wenn das stimmt, ruf die Polizei. Sofort.«
Shaun drückte sanft die Schulter seines Sohnes. »Das kann ich nicht.« Er unterbrach Jeremys Proteste. »Ich weiß, dass du das nicht verstehst. Ich weiß, dass du im Moment arbeitest und ich dich bitte, deinen Job zu vernachlässigen.«
»Darum geht es nicht. Alles läuft wie von selbst, ich bin praktisch überflüssig.«
»Niemals.« Er starrte Jeremy in die Augen wie sein Vater und Großvater. »Bitte. Ich brauche deine Hilfe. Bitte.« Er sah, wie Jeremys Blick abschweifte. »Ist sie das? Siehst du sie?«
Jeremy nickte.
»Wirst du es tun? Für mich?«
Shaun spürte, wie sich die Schultern seines Sohnes unter seinem Griff entspannten. »Sicher, Dad. Wenn es das ist, was du brauchst.«
»Los. Hast du dein Handy?«
Jeremy lief bereits in Richtung Lobby zwischen den Tischen hindurch. Als Antwort klopfte er auf sein Jackett. »Direkt hier.«
»Komm ihr nicht zu nah, und verlier sie nicht.« Jeremy war außer Hörweite. »Danke«, sagte Shaun. Aber er glaubte nicht, dass der Junge ihn gehört hatte.
20:40 Uhr
Clare beobachtete Shaun Reid, als dieser in den Ballsaal zurückkehrte. Er blieb einen Moment im Eingang stehen und wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab. Ihre Großmutter
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