Das Dunkle Netz Der Rache
Deckel aufkriegen.«
Millie erhob sich langsam. Sie stellte sich über eine Kiste, bewegte ihr Becken vor und zurück, dehnte ihr Rückgrat und ihre Arme. Aus der Nähe des Taschenlampenlichts hörte sie das charakteristische Geräusch von Nägeln, die aus Holz gezogen werden.
»Puh! Ich sag das nicht gern, aber der Wein riecht ziemlich mies. Als hätte jemand alte Lumpen aus der Garage reingestopft.«
»Ach, dann ist es egal.« Jetzt, da sie frei war, hatte sie Angst. Sie wollte so schnell wie möglich tun, was zu tun war, und dann raus hier. »Würdest du bitte zu mir rüberkommen? Ich hab ein bisschen Angst, so ganz allein im Dunkeln.«
»Soll ich dir Wasser oder so was mitbringen? In meinem Rucksack sind ein paar Flaschen.«
»Nein, bitte, ich will hier einfach nicht allein sitzen.«
»Okay.« Seine Stimme hatte den resignierten Ton jedes Mannes, der von dem Stimmungsumschwung einer Frau überrascht wird. »Wenn du das möchtest.«
Sie rieb ihre Handflächen an ihrer Hose ab. Für das hier mussten sie hart und trocken sein. »Was habt ihr beschlossen, du und deine Frau?«
Seine Stimme und das Licht kamen näher. »Äh … sie meint, es wäre besser für dich, wenn du mit zu uns nach Hause kommst. Für den Fall, weißt du, dass Mr. Reid zurückkehrt.«
Sie meint, wir müssen dich hinter Schloss und Riegel sperren, übersetzte Millie. Sie presste die Knöchel aneinander und beugte sich vor, so dass ihre im Schoß gefalteten Hände nicht zu sehen waren.
Das Licht streifte sie. »Alles okay? Du siehst aus, als wärst du krank.«
Sie nickte. »Könnte sein.« Sie verstärkte ihren Griff um die eiserne Schraube. Die Spitze, scharf und hart, drückte sich in ihr Bein. »Würdest du mir zur Toilette helfen?«
»Klar«, sagte er. Er war so nah, das sie ihn riechen konnte, Benzin und Schweiß und das starke, billige Waschmittel, mit dem seine Kleidung gewaschen war. Er breitete die Arme aus, um sie hochzuheben, und sie sprang nach vorn, ihre Schenkel, ihr Rücken und ihre Arme arbeiteten zusammen, und sie trieb die eiserne Schraube in seine Eingeweide.
Einen Moment lang standen sie wie zwei Liebende, seine Arme halb um sie geschlungen, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt, starrten sie einander in die Augen. Dann, aus Angst, ihn nur leicht verwundet zu haben, stieß sie ihm die Schraube in die Brust. Er gab ein rasselndes Geräusch von sich wie eine Kettensäge, die in einem Baum steckenbleibt, und stürzte zu Boden.
Die Taschenlampe prallte vom holprigen Holzboden ab und knallte gegen den Metallfuß einer alten Pulpemaschine. Im selben Moment wurden sie von der unbarmherzigen Dunkelheit verschluckt.
»Du … hast mich erstochen.« Randys Stimme klang eher erstaunt als schmerzverzerrt.
Millie zitterte so heftig, dass sie sich kaum bewegen konnte. Sie trat von der Stimme unter ihr zurück. Sie versuchte, etwas zu ihm zu sagen, etwas, das rechtfertigte, was sie getan hatte, aber am Ende war ihre Rechtfertigung, dass sie frei war, ob er oder seine Frau oder Shaun Reid das nun wollten oder nicht. Sie trat einen weiteren Schritt zurück.
Randy stöhnte. »Heilige Scheiße.« Er atmete flach, als ob die Bewegung seiner Lungen schmerzte. »Tut weh.«
»Ich rufe Hilfe, sobald ich hier raus bin.« Sie wich ihm aus, so gut es ging, stieß dabei gegen Kisten und ertastete ihren Weg entlang der mit Planen abgedeckten Maschinen.
»Lisa«, stöhnte er.
Mit Hilfe ihres Tastsinns und ihres Gedächtnisses gelangte sie zur vorderen Seite des Gebäudes und fand die Stelle, wo sie zuletzt Randys Lampe gesehen hatte, als er die Weinflaschen entdeckte. Sie roch etwas, etwas wie verschimmelte Kleider und Getriebeöl, und erinnerte sich an Randys Beschreibung des Weins. Sie musste ganz in der Nähe sein. »Keine Angst«, rief sie dem Mann in der Dunkelheit hinter ihr zu. »Wir kommen hier beide lebend raus.«
20:50 Uhr
Russ beobachte Clare auf ihrem Weg zurück zum Tisch, als sein Handy klingelte. »Entschuldigung«, sagte er zu seiner Tischgesellschaft. »Ich muss leider drangehen.«
»Du hast nicht mal die Nummer kontrolliert«, sagte Linda mit einem gewissen Unterton. »Können sie es nicht mal ein paar Stunden ohne dich aushalten?«
Er öffnete den Mund, um zu erklären, dass er bei zwei Ermittlungen in Kapitalverbrechen und einer vermissten Person eigentlich gar nicht auf der Feier sein dürfte, aber er schluckte seine Antwort hinunter. Was hätte es genutzt? »Es tut mir leid«, sagte er und zog sich zum
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