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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert B. Parker
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fest und sah es an. Es war ein Bild von Cissy Hathaway, die nackt und provozierend auf dem Bett lag. Sonst befand sich nichts im Umschlag, bis auf ein Stück Pappe, das das Foto hatte schützen sollen. Nichts auf dem Bild machte es möglich, den Ort, an dem es aufgenommen worden war, näher zu identifizieren.
    »Sonst nichts?«, fragte Jesse.
    »Nein.«
    »Haben Sie eine Ahnung, warum man es Ihnen geschickt hat?«
    »Nein.«
    »Ist es heute Morgen angekommen?«
    »Ja.«
    Jesse saß da und betrachtete schweigend das Foto. Er konnte keinen eindeutigen Gesichtsausdruck auf Cissys Gesicht ausmachen, weil das grelle Licht des Polaroid-Blitzes alle Feinheiten zerstört hatte.
    »Darf ich das behalten?«, fragte Jesse.
    »Natürlich«, sagte Cotter, »ich will es bestimmt nicht behalten.«
    »Falls noch mehr kommt, lassen Sie es mich wissen. Oder falls etwas Ungewöhnliches passiert.«
    »Selbstverständlich.«
    Jesse schob das Foto wieder in den Umschlag und steckte ihn in die Seitentasche seines Jacketts.
    »Was werden Sie damit machen?«
    »Wir werden es auf Fingerabdrücke untersuchen.«
    »Werden Sie mit Cissy darüber sprechen?«
    »Ja.«
    »Ich … ich bin ihr Pfarrer«, sagte Cotter. »Falls ich helfen kann …«
    »Natürlich«, sagte Jesse. »Ich sag Ihnen Bescheid, falls wir Sie brauchen.«

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71
    Jesse saß mit Cissy Hathaway in ihrer Küche und blickte nach draußen in den inzwischen blumenlosen Garten, wo das gelbe Gras von einer bleichen Sonne beschienen wurde. Er überreichte ihr das Polaroid-Foto.
    »Das ist heute bei Reverend Cotter angekommen«, sagte er.
    Cissy nahm das Bild und starrte es an. Während sie es ansah, wurde sie rot im Gesicht. Jesse verhielt sich ruhig. Cissys Augen klebten an dem Foto, ihr Gesicht blieb ausdruckslos, bis auf das tiefe Rot, das sie fiebrig aussehen ließ. Sie sagte nichts und Jesse sagte auch nichts und die Stille wurde immer unerträglicher.
    Schließlich sagte Jesse: »Soweit ich es beurteilen kann, handelt es sich hier nicht um ein Verbrechen. Sie können mich rausschmeißen, wenn Sie wollen. Aber ich dachte, Sie sollten es wissen.«
    Cissy legte das Bild mit der Oberseite nach unten auf den Küchentisch und starrte die weiße Rückseite an. Jesse wartete ab. Sie stand plötzlich auf und gingzum Küchentresen. Sie griff nach einer Packung Zigaretten, zündete sich eine an und stand mit dem Rücken zu ihm da, während sie aus dem Fenster über dem Ausguss nach draußen zu ihrer Auffahrt und dem Nachbargarten dahinter blickte. Sie inhalierte tief und ließ den Rauch langsam wieder herausquellen. Jesse schwieg.
    »Jo Jo«, sagte sie, immer noch mit dem Rücken zu ihm. »Jo Jo Genest hat dieses Bild gemacht. Er hat noch mehr davon.«
    »Hat er Sie dazu gezwungen?«
    »Nein.«
    »Haben Sie eine Idee, warum er das Foto an Ihren Pfarrer geschickt hat?«
    Cissy nahm einen weiteren tiefen Zug und stieß den Rauch aus, immer noch mit dem Rücken zu Jesse. Sie schien sich jedes kleine Detail des Rasens der Nachbarn einprägen zu wollen. Jesse verhielt sich ruhig. Gleich würde es kommen, er wusste es. Er musste nur abwarten.
    »Ja«, sagte sie. »Ich weiß es.«
    »Wollen Sie es mir sagen?«
    Cissy nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette und warf sie in den Ausguss, drehte den Wasserhahn auf, zog den Stöpsel und sah zu, wie die Kippe verschwand. Dann drehte sie das Wasser ab und wandte sich um. Die dunkelrote Farbe in ihrem Gesicht war verschwunden. Ihre Augen erschienen ihm viel größer als vorher.
    »Ich werde Ihnen Dinge erzählen, die für mich erniedrigend sind«, sagte sie. »Ich werde es tun. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie mich nicht verurteilen werden.«
    »Ich werde Sie nicht verurteilen, Cissy.«
    »Nein, ich glaube nicht, dass Sie das tun werden. Deshalb kann ich es Ihnen auch erzählen.«
    Jesse nickte freundlich und wartete ab. Cissy lehnte sich gegen das Waschbecken und verschränkte die Arme.
    »Sie müssen mir helfen, Jesse«, sagte sie. »Sie müssen mich unterstützen.«
    Jesse stand auf und ging hinüber zum Waschbecken und legte einen Arm um Cissys Schultern. Sie versteifte sich, bewegte sich dabei aber nicht.
    »Ich bin Polizist in der zweitgrößten Stadt des Landes gewesen«, sagte Jesse. »Ich habe Sachen gesehen, die Sie sich nicht mal vorstellen können. Ich habe Dinge gesehen, von denen Sie niemals glauben würden, dass es sie

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