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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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wieder seinen gewohnten Gang geht. Am Ende meiner ersten Woche als Gehilfin erzählt man sich, dass einige Frauen in kleinen Grüppchen sogar schon zur Feldarbeit geschickt wurden.
    Man erzählt sich auch, dass die Spackle irgendwo am Stadtrand gefangen gehalten werden, und zwar alle zusammen, wo sie auf »weitere Behandlung« warten, was immer das heißen mag.
    Man erzählt sich, dass der alte Bürgermeister jetzt als Müllmann arbeitet.
    Aber von einem Jungen erzählt man sich nichts.
    »Ich habe seinen Geburtstag vergessen«, sage ich zu Maddy, während ich an einem Gummibein, das so lächerlich echt aussieht, dass es jeder nur Ruby nennt, das Anlegen von Verbänden übe. »Er war vor vier Tagen. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, weil ich so lange geschlafen habe …«
    Ich kann nicht weiterreden, ziehe den Verband fester.
    Und muss daran denken, wie er mir einen Verband anlegte.
    Und wie ich ihn verband.
    »Ich bin überzeugt, es geht ihm gut, Viola«, sagt Maddy.
    »Nein, das bist du nicht.«
    »Nein«, gibt sie zu und schaut wieder aus dem Fenster auf die Straße. »Aber obwohl niemand es für möglich gehalten hätte, herrscht kein Krieg in der Stadt. Obwohl niemand es für möglich gehalten hätte, sind wir alle am Leben und können arbeiten. Also kann auch Todd am Leben und gesund und munter sein, selbst wenn niemand das für möglich hält.«
    Ich ziehe den Verband noch fester. »Weiß du eigentlich irgendwas über ein blaues A?«
    Sie dreht sich zu mir. »Was für ein A?«
    Ich zucke die Schultern. »Ich habe so etwas in Mistress Coyles Notizbuch gesehen.«
    »Keine Ahnung.« Sie blickt wieder nach draußen.
    »Was suchst du da draußen?«
    »Ich zähle die Soldaten«, antwortet sie mit einem Blick zu mir und zu Ruby. »Das ist ein guter Verband.« Und ihrem Lächeln nach könnte man fast glauben, es stimmt.
    Ich gehe den Hauptkorridor entlang, in meiner einen Hand baumelt Ruby. Ich muss üben, wie man Spritzen in den Oberschenkel gibt. Mir tut schon jetzt die arme Frau leid, die ich als Erste stechen werde.
    Wo der Korridor die Mitte des Hauses erreicht, biege ich um die Ecke, von dort führt ein Gang im rechten Winkel in einen anderen Gebäudeflügel, und ich stoße um ein Haar mit einer Gruppe von Heilerinnen zusammen, die stehen bleiben, als sie mich erblicken.
    Es ist Mistress Coyle, ihr folgen vier, fünf, vielleicht sogar sechs andere Frauen. Ich erkenne Mistress Nadari und Mistress Waggoner wieder, und Mistress Lawson ist auch dabei, aber die anderen drei habe ich zuvor noch nie gesehen, ich habe nicht einmal gesehen, wie sie das Haus der Heilung betreten haben.
    »Hast du nichts zu tun, Mädchen?«, fragt mich Mistress Coyle scharf.
    »Ruby«, stammle ich und strecke ihr das Gummibein hin.
    »Ist sie das?«, fragt eine der Heilerinnen, die ich nicht kenne.
    Mistress Coyle stellt mich den anderen nicht vor.
    Sie sagt einfach: »Ja, das ist das Mädchen.«
    Ich muss mich den ganzen Tag gedulden, bis ich Maddy wiedersehe, aber noch ehe ich sie fragen kann, was diese Begegnung zu bedeuten hat, sagt sie: »Ich hab’s herausgefunden.«
    »Hatte eine von ihnen eine Narbe auf der Oberlippe?«, fragt mich Maddy flüsternd in der Dunkelheit. Mitternacht muss schon längst vorbei sein, die Lichter sind schon lange gelöscht, schon lange sollten wir in unseren Zimmern sein.
    »Ich glaube ja«, flüstere ich zurück. »Aber sie sind schnell weitergegangen.«
    Wir schauen zu, wie zwei Soldaten unten auf der Straße vorbeigehen. Wenn Maddys Vermutung stimmt, bleiben uns noch drei Minuten.
    »Dann muss es Mistress Barker gewesen sein«, sagt sie. »Und die beiden anderen waren dann wahrscheinlich Mistress Braithwaite und Mistress Forth.« Sie schaut wieder aus dem Fenster. »Wir müssen verrückt sein. Wenn sie uns erwischt, kriegen wir mächtig Ärger.«
    »Ich glaube kaum, dass sie dich in Zeiten wie diesen hinauswerfen werden.«
    Ihre Miene wird nachdenklich. »Hast du gehört, worüber sich die Heilerinnen unterhalten haben?«
    »Nein, sobald sie mich sahen, hörten sie auf zu reden.«
    »Aber du warst das Mädchen, von dem sie sprachen?«
    »Ja«, antworte ich. »Und Mistress Coyle ging mir den Rest des Tages aus dem Weg.«
    »Mistress Barker …«, sagt Maddy gedankenverloren. »Aber wozu soll das gut sein?«
    »Wozu soll was gut sein?«
    »Die drei saßen zusammen mit Mistress Coyle im Rat der Stadt. Barker sitzt immer noch dort. Jedenfalls saß sie dort, bevor die Armee kam. Warum sollten sie

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