Das dunkle Paradies
Sendeanlage schon nicht benutzen können, um Hilfe herbeizuholen, dann können wir zumindest ihn davon abhalten, es zu tun.«
»Und wenn sie landen? Welchen genialen Plan habt Ihr für diesen Fall?«
»Nun«, sagt sie und kommt ein paar Schritte näher, »wenn wir ihn bis dahin nicht besiegt haben, dann wird es einen Wettlauf geben, wer als Erster bei den Schiffen ist. Das ist dann zumindest ein fairer Kampf.«
Ich schüttle den Kopf. »Dazu hattet Ihr kein Recht.«
»Wir sind im Krieg.«
»Den Ihr vom Zaun gebrochen habt.«
»Er hat damit angefangen, mein Mädchen.«
»Und Ihr habt den Krieg ausgeweitet.«
»Manchmal muss man harte Entscheidungen treffen.«
»Und wer hat Euch das Recht gegeben, diese Entscheidungen zu treffen?«
»Wer hat ihm das Recht gegeben, die halbe Bevölkerung dieses Planeten einzusperren?«
»Ihr sprengt Menschen in die Luft!«
»Unglücksfälle«, antwortet sie. »Äußerst bedauerlich.«
Ich trete näher auf sie zu. »Genau dasselbe hätte er auch sagen können.«
Sie zieht die Schultern hoch, und wenn sie Lärm besäße, dann hätte er mir jetzt den Kopf weggeblasen. »Hast du die Frauengefängnisse gesehen, mein Mädchen? Mit allem, was du noch nicht weißt, könnte man einen ganzen Meteoritenkrater zuschütten …«
»Mistress Coyle!«, ruft eine Stimme zwischen den Bäumen und dann taucht Lee auf. »Gerade eben ist eine Nachricht gekommen.«
»Und welche?«, fragt Mistress Coyle.
Er schaut sie an, dann mich, und wieder muss ich den Blick senken.
»Drei Divisionen marschieren auf der Flussstraße«, sagt er. »Geradewegs auf den Ozean zu.«
Ich hebe ruckartig den Kopf. »Sie kommen hierher?«
Mistress Coyle und Lee schauen mich an.
»Nein«, antwortet Lee, »sie marschieren auf das Meer zu.«
»Aber sind wir denn nicht …«
»Natürlich nicht«, antwortet Mistress Coyle trocken und auch ein wenig spöttisch.
»Wie kommst du darauf, dass wir am Meer sind? Und wie, frage ich mich, kommt der Präsident darauf?«
Vor Wut läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, und obwohl die Sonne scheint und trotz der dicken, bauschigen Ärmel zittere ich.
Sie hat mich auf die Probe gestellt.
Als ob ich dem Bürgermeister mitteilen würde, wo …
»Wie könnt Ihr es wagen …«, will ich wieder sagen. Aber meine Wut verraucht, als mir etwas einfällt.
»Todd«, flüstere ich.
In seinem Lärm hört man »Ozean«.
Er hat versprochen, nichts zu sagen.
Und ich bin sicher, er wird sich an sein Versprechen halten.
Wenn er kann.
(Oh, Todd, hat er …)
(Bist du …)
Oh nein.
»Ich muss zurück«, sage ich. »Ich muss ihn retten.«
Aber noch während ich das sage, schüttelt sie schon den Kopf. »Im Augenblick können wir gar nichts für ihn tun.«
»Er wird ihn umbringen.«
Sie sieht mich an, nicht ohne Bedauern. »Vermutlich lebt er schon nicht mehr, mein Mädchen.«
Meine Kehle ist auf einmal wie zugeschnürt, aber ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. »Das wisst Ihr nicht.«
»Wenn er noch am Leben ist, dann hat er es dem Präsidenten freiwillig gesagt.« Sie legt den Kopf schräg. »Was wäre dir denn lieber?«
»Nein«, sage ich und schüttle den Kopf. »Nein.«
»Es tut mir leid, mein Mädchen.« Ihre Stimme ist jetzt ein bisschen leiser als zuvor, ein bisschen milder, aber immer noch unnachgiebig. »Es tut mir wirklich sehr leid. Aber es stehen Tausende von Menschenleben auf dem Spiel. Und ob du willst oder nicht, du hast dich für eine Seite entschieden.« Sie blickt zu Lee hinüber. »Was hältst du davon, wenn wir dir jetzt unsere Truppen zeigen?«
20
Trümmer
[TODD]
»Schlampen!«, sagt Mr Hammar vom Sattel herab.
»Nach deiner Einschätzung habe ich nicht gefragt, Sergeant«, sagt der Bürgermeister, der auf Morpeth durch den Qualm über die verbogenen Metallstreben reitet.
»Sie haben ihr Zeichen hinterlassen.« Mr Hammar zeigt auf den Stamm eines hohen Baumes am Rande der Lichtung.
Das blaue A ist daraufgeschmiert.
»Wie schön, dass du dir solche Sorgen um mein Sehvermögen machst«, sagt der Bürgermeister in einem so scharfen Ton, dass sogar Mr Hammar den Mund hält.
Wir sind vom Kloster hierhergeritten und unterwegs auf Mr Hammars kampfbereiten Trupp gestoßen. Oben auf dem Hügel trafen wir auf Ivan und die Soldaten, die den Turm bewachen sollten. Ich glaube, Ivan ist auf diesen Posten befördert worden, nachdem er alle Spackle zusammengetrieben hatte, aber jetzt sieht er so aus, als wünschte er, er hätte noch nie etwas von
Weitere Kostenlose Bücher