Das dunkle Paradies
Tiere aufpassen, die schon besiegt sind.«
Der Bürgermeister betrachtet uns eine Zeit lang, und ich frage mich, seit wann Davy von sich und mir als »uns« spricht. »Wenn du glaubst, sie seien schon besiegt«, sagt er schließlich, »dann weißt du wirklich sehr wenig über die Spackle.«
Davys Lärm klingt ärgerlich. »Ich denke, das eine oder andere habe ich inzwischen doch gelernt.«
Und sosehr er mich auch anwidert, in diesem Punkt muss ihm Recht geben.
»Ja«, erwidert der Bürgermeister. »Ich glaube, das hast du. Ihr beide habt dazugelernt.« Er schaut mir in die Augen, und ich muss daran denken, wie ich 1017 vor der Bombe gerettet, wie ich mein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt habe, um ihn in Sicherheit zu bringen.
Und wie er mich zum Dank gebissen und gekratzt hat.
»Wie wär’s dann mit einer neuen Aufgabe?«, fragt der Bürgermeister und reitet zu uns herüber. »Eine, bei der ihr euer ganzes Können unter Beweis stellen könnt.«
Davys Lärm weiß nicht, was er davon halten soll. Stolz schwingt in seinen Gedanken mit, aber auch Zweifel.
In meinem Lärm ist nur Furcht.
»Bist du bereit, den Anführer zu machen, Todd?«, fragt er mich.
»Ich bin bereit dazu, Pa«, antwortet Davy.
Der Bürgermeister sieht nur mich an. Er weiß, dass ich an sie denke, aber er übergeht alle meine Fragen.
»Die Antwort «, sagt er und blickt auf das blaue A. »Wenn sie das sein wollen, meinetwegen.« Dann wendet er sich uns zu. »Aber wenn es eine Antwort gibt, dann muss man diese Antwort auch anhören …«
Er verstummt und ein versonnenes Lächeln tritt in sein Gesicht. Er sieht aus, als schmunzle er über einen Scherz.
Davy entfaltet die große weiße Papierrolle auf dem Gras, es kümmert ihn nicht, dass der kalte Morgentau sie durchnässt. Oben stehen ein paar Wörter und darunter sind Zeichnungen, Rechtecke und alles Mögliche.
»Das meiste sind Maßangaben«, sagt Davy. »Viel zu viele, verdammt noch mal. Schau dir das bloß mal an.«
Er hält mir die Rolle hin, er will, dass ich ihm zustimme.
Und, ja …
Ja, okay, ich …
Hol’s der Teufel.
»Viel zu viele, verdammt noch mal«, sage auch ich und merke, wie ich unter den Achseln zu schwitzen beginne.
Es ist der Tag nach dem Anschlag auf das Kloster; wir sind zurück und lassen die Spackle arbeiten. Meine missglückte Flucht scheint vergessen, als hätte sie sich in einem anderen Leben ereignet. Offenbar gibt es Wichtigeres, worüber wir uns den Kopf zerbrechen müssen. Über Viola spricht der Bürgermeister nicht mit mir, und ich arbeite wieder unter Davys Aufsicht, der nicht allzu glücklich dabei wirkt.
Es ist wieder wie in alten Zeiten.
»Wir sollten eigentlich kämpfen, aber er lässt uns einen Scheißpalast bauen«, murrt Davy stirnrunzelnd und mustert die Pläne.
Es ist zwar kein Palast, aber Davy bringt es auf den Punkt. Eigentlich sollten es nur ein paar behelfsmäßige Schuppen werden, in denen die Spackle sich im Winter unterstellen können, aber jetzt ist ein richtiges Gebäude geplant, es ist für Menschen gedacht und fast so groß wie ein Kloster.
Es hat sogar einen Namen, der oben auf dem Plan steht.
Ein Name, auf dem mein Blick haften bleibt, während ich versuche …
Davy sieht mich mit großen Augen an. Ich lasse meinen Lärm so laut wie möglich werden.
»Wir sollten uns an die Arbeit machen«, sage ich.
Aber Davy schaut mich immer noch an. »Was hältst du von dem, was hier steht?«, fragt er und legt seinen Finger auf eine Reihe von Buchstaben. »Ist das nicht erstaunlich, was da steht?«
»Ja«, antworte ich achselzuckend. »Stimmt schon.«
Vor Freude werden seine Augen sogar noch größer. »Das ist nur eine Materialaufstellung, Schweinebacke!« Seine nächsten Worte sind wie ein Jubelschrei. »Du kannst nicht lesen!«
»Halt die Klappe!«, sage ich und schaue weg.
»Du kannst nicht einmal lesen!« Davy grinst in die kalte Wintersonne und alle Spackle um uns herum sehen zu.
»Was für Schwachköpfe doch auf der Welt herumlaufen.«
»Halt die Klappe, hab ich gesagt!«
Davy fällt die Kinnlade herunter, als es ihm klar wird.
Ich weiß, was er sagen wird, ehe er noch den Mund aufmacht.
»Das Buch deiner Mutter«, sagt er. »Sie hat es für dich geschrieben und du kannst es nicht mal …«
Was kann ich anderes tun, als ihm eins auf sein blödes Maul zu hauen?
Ich bin größer und stärker geworden, und er zieht den Kürzeren in dem Kampf, aber es scheint ihm egal zu sein. Sogar als wir uns wieder an die
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