Das dunkle Schweigen: Denglers zweiter Fall (German Edition)
gespreiztem Tonfall. »Wir haben die Erfahrung. Jedes Jahr zwanzigtausend Brüste. Und zwei Ärzte, die das ganze Jahr über Fett absaugen. Das muss uns erst mal einer nachmachen.«
Er unterbrach sich und küsste einer blonden Frau die Hand. »Liebe Frau von Baumagd, alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Das sehen Sie doch, Professorchen, oder?«
»Martin, komm, lass uns weitergehen«, zischte Dengler seinen Freund an, der den Worten des Klinikchefs mit offenem Mund gelauscht hatte. Er schob Klein unsanft weiter.
Nach einer Weile sagte Dengler zu Klein: »Irgendetwas stimmt mit diesen Frauen nicht.«
Sie standen neben einem Tisch, an dem sich drei Frauen angeregt über die mindere Qualität von in Delhi geschliffenen Diamanten unterhielten.
Auf den ersten Blick sahen sie aus wie all die anderen Frauen hier, viel Haut, viel Schmuck, extrem hochhackige Pumps, sie hätten nuttig gewirkt, wenn nicht alles an ihnen so teuer gewesen wäre.
»Botox«, sagte Olga, die plötzlich wieder neben ihnen stand, »das ist Botox.«
Dengler sah sie fragend an.
»Ein Nervengift«, sagte sie, »Botox. Heißt eigentlich Botulinumtoxin. Hemmt den Botenstoff Acetylcholin, der das Signal des Nervs zur Muskelzelle vermittelt. Der betreffende Muskel wird daraufhin gelähmt.«
»Häh?«, sagte Martin Klein und nahm die Sonnenbrille wieder ab.
»Die Damen haben sich Botox in Stirn, Augen- und Mundwinkel spritzen lassen. Sie können, selbst wenn sie es wollten, die Stirn nicht mehr in Falten legen. Deshalb sind die Gesichter so schön glatt.«
Dengler sah genauer hin. Olga hatte Recht: Selbst bei den älteren Frauen war im Gesicht keine Falte zu sehen. Glatt wie Babypopos. Aber dennoch – irgendetwas an diesen Gesichtern wirkte befremdend, seltsam. Aber Dengler kam nicht dahinter.
»Allerdings können die Ladys beim Sprechen dann auch keinen oder kaum einen der vielen Gesichtsmuskel bewegen«, referierte Olga betont sachlich weiter.
Dengler sah noch einmal hin. Das war es. Die Frauen sprachen laut miteinander, aber in ihren Gesichtern rührte sich tatsächlich nichts. Keine Lachfalten, keine Grübchen, keine Mimik. Sie wirkten wie Fische, die nur die Münder aufmachen und wieder schließen können.
»Das ist doch alles nicht real«, murmelte Dengler und zog die anderen weiter. »Wenn du das hier alles aufschreibst«, sagte er zu Klein, »für deinen Krimi: Es wird dir kein Mensch abnehmen.«
Sie beobachteten die füllige Gastgeberin, die von Tisch zu Tisch wanderte, Bonmots und Komplimente verteilte.
»Tamara Pressluft. Ich liebe dicke Frauen«, murmelte Klein. Schließlich ein kurzes Auflachen am letzten Tisch, ein kurzes Winken, dann ging sie hinüber ins Haus. Drei Frauen eilten ihr nach, die Gruppe rauschte klimpernd und raschelnd an Dengler, Klein und Olga vorbei. Heidrun lief so schnell und zielstrebig, dass Dengler für einen Augenblick dachte, es sei etwas passiert. Er wartete einen Moment, dann folgte er ihnen.
Im Haus sah er die vier Frauen die Treppe zum ersten Stock hinaufgehen. Als er oben ankam, waren die Frauen verschwunden. Langsam ging er den Flur entlang und horchte, ob er irgendwo hinter einer der Türen ihre Stimmen hören konnte. Doch die Türen ließen keinen Laut nach außen.
Er schritt den Flur zurück.
Vor der letzten Tür hielt er inne. Er hatte ein dumpfes Geräusch gehört, und für einen Augenblick dachte er, jemand sei gefallen. Sofort dachte er an seine Mutter.
Er klopfte kurz und trat ein.
Die vier Frauen knieten vor einem langen, aber nicht sehr hohen Couchtisch, die Köpfe zusammengesteckt. Zwei von ihnen hatten glänzende Augen. Alle redeten laut und durcheinander und schienen bester Laune zu sein. Eine der Frauen hatte einen zusammengerollten Fünfhundert-Euroschein in der Hand, den sie zwischen den Fingern hielt wie eine Zigarette.
Auf der kompletten Länge des Tisches zog sich eine weiße Linie Kokain.
Die Gastgeberin winkte ihm fröhlich zu: »Wollen Sie auch?« Dengler schüttelte den Kopf, zog sich zurück und schloss vorsichtig die Tür.
* * *
Zwei Trauben von männlichen Gästen hatten sich links neben der Band gebildet. Dengler schlenderte in diese Richtung. Klein erschien mit einem Teller voller Lachs und einem Berg von Kaviar. In der anderen Hand hielt er ein Champagnerglas.
»Kommst du mit deinen Studien voran?«, fragte Dengler.
Martin Klein lachte und trank das Glas aus.
Die Gäste umringten die beiden karibisch aussehenden Frauen an dem Tisch mit den Tabakblättern.
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