Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
waren.
Kristabel zog ihren Mantel aus. Einige in der Nähe stehende Gäste warfen ihr neugierige Blicke zu, als sie das perlenbestickte blaue Seidenabendkleid sahen, das sie trug. Dann streifte Edeard seinen Mantel ab und brachte seine schwarz-rote Anzugjacke mit Silberbrokat und schneeweißem Rüschenhemd zutage. Um sich herum sah er jede Menge grinsende Gesichter.
»Hey-ho, die Stutzer sind da«, rief Macsen laut aus.
Kristabel lächelte und umarmte Macsen. Dann tauchte Dinlay auf und drückte Edeard ein volles Glas in die Hand. Boyd begrüßte sie mit einem freudigen Lachen. Saria kam hinzu und drückte Kristabel zur Begrüßung. Eine fröhlich alkoholisierte Kanseen gab Edeard einen mächtigen Schmatz.
»Wieso kommt ihr so spät?«, fragte Dinlay. Sein Arm lag um die Schultern eines strammen Mädchens, dessen flammend rotes Haar ihr bis zur Hüfte hinabfloss. Edeard musste sich schwer zusammenreißen, keinen dummen Kommentar von sich zu geben; anscheinend landete Dinlay immer wieder bei Mädchen, die mindestens ebenso kräftig und stark waren wie er.
»Das Fest war so schön«, erwiderte Edeard galant.
Kristabel lachte auf und streichelte ihm über die Wange. »Mein armer Junge«, sagte sie. »Er ist so tapfer gewesen«, erklärte sie dem Trupp. »So ziemlich jeder Freund meines Vaters hatte beim Essen irgendwas mit ihm zu besprechen, und ausnahmslos alle sind mindestens genauso alt und langweilig wie Papa; und hinterher wollten ihre sämtlichen Töchter unbedingt einen Tanz.«
Fatalistisch zuckte Edeard in Boyds Richtung mit den Achseln. »Was soll man machen, der Preis des Ruhms.«
»Mach dir nichts draus«, erwiderte Macsen beflissen. »Das geht von selbst wieder vorbei. In zehn Jahren wirst du nur noch ’ne verblassende Erinnerung sein, kaum mehr als Gegenstand irgendeiner Quizfrage in einem Salonspiel am Neujahrsabend.«
Edeard gab Kristabel einen Kuss. »Siehst du, mein Loyalitätstraining war doch zu was gut.« Sie lachte und schlang ihre Arme um ihn. Alles war so unbeschwert, so natürlich. Glücklich lächelten sie einander an. Vollkommen ungezwungen. Edeard wusste, jetzt würde es nicht mehr lange dauern, und erwartungsvolle Vorfreude erfüllte wie wohltuende Wärme sein Herz. Ein Gefühl, nicht annähernd mit dem vergleichbar, was er bei all den anderen Mädchen empfunden hatte, mit denen er früher ins Bett gegangen war. Und bei denen er sich stets vorgekommen war wie der Teilnehmer an irgendeinem Wettbewerb. Es kam nicht einmal an die kuschelige Gemütlichkeit von Jessile heran. Kristabel und er waren so perfekt, wie zwei Menschen es zusammen nur sein konnten.
»Da ist er«, brüllte Dinlay.
Am hinteren Kellerende kam Dybal auf die Bühne geschlendert. Riesiger Jubel brandete auf, als er seinem Publikum zuwinkte. Die übrigen Ensemblemitglieder betraten die Bühne, drei Schlagzeuger, ein Saxophonist, ein Pianist sowie zwei weitere Gitarristen. Es mochte am Duft des Jamolar-Öls liegen oder an den Mengen ausgesprochen guten Weins, den er auf dem Fest zuvor getrunken hatte, doch Dybal und seine Gruppe schienen förmlich in hellen Farben zu leuchten. Ihre Kleider schrien wahrhaft zum Himmel, und allein deswegen schon fiel Edeard in den stürmischen Begrüßungsbeifall mit ein.
Die Lieder waren schnell und laut, das komplette Gegenteil der Weisen, welche die Musiker während des Fests gespielt hatten. Sie erzählten von Liebe und Verlust; von Verrat und Korruption, verhöhnten und verspotteten den Rat. Sie waren zornig. Sie waren traurig. Und zu Dybals Worten hämmerte die Musik.
Edeard und Kristabel tanzten ausgelassen. Und tranken. Er nahm sogar einen Zug aus einer der Kestricpfeifen, die herumgereicht wurden. Und ebenso Kristabel. Ihr Geist verströmte eine lasterhafte Freude, als sie den Rauch inhalierte.
Dybal spielte über vier Stunden. Lange genug jedenfalls, dass Edeard am Ende völlig schweißgebadet war. Und als Dybal seine zweite Zugabe beendete, troff die Feuchtigkeit förmlich von den Theaterwänden herab.
»Das war einfach sagenhaft«, begeisterte sich Kristabel, während sie Edeard umarmte. »Kaum zu glauben, dass der Rat immer noch an der Macht ist. Lang lebe die Revolution!« Sie stieß ihre Faust in die Luft.
Er erwiderte ihre Umarmung und stupste mit seiner Nase gegen ihre. »Das ist dein eigener Vater, von dem du da sprichst.«
»Wen interessiert’s!« Sie wirbelte herum. »Danke, dass du mit mir hierher gegangen bist.«
»Ich hab mir Dybal schon immer mal anhören
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