Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
wollen.«
»Und warum hast du es nicht?«
Edeard zuckte die Achseln. Um sie herum strömten die Leute der Treppe entgegen, die zur Straße hinaufführte, allesamt glücklich und erschöpft.
»Ich hatte keine Lust, allein hinzugehen«, erwiderte er.
Das Lächeln, mit dem sie antwortete, war das Risiko solcher Offenheit allemal wert.
Sowie sie auf der Doulon Lane herausgekommen waren, gingen alle aus dem Trupp wieder ihre eigenen Wege und wünschten sich gegenseitig gute Nacht.
Nur noch wenige Menschen waren zu dieser späten Stunde auf der Straße unterwegs. Edeard knöpfte seinen Umhang zu und legte seinen Arm um Kristabel. Sie schmiegte sich an ihn, ihr Geist ließ ihn völlige Zufriedenheit erkennen. Arm in Arm schlenderten sie zu dem Pool am Ende des Garden Canal zurück, während über ihnen die Sternennebel den nächtlichen Himmel mit blassen Farben überzogen. Vielleicht waren die Nachwirkungen des Kestric daran schuld, doch als Edeard zu ihnen aufblickte, war ihm, als sei da ein strahlendes Funkeln um sie herum. Vor allem Honious war heute Nacht von einem inneren Schimmern erfüllt.
»Das machst du oft«, bemerkte Kristabel.
»Was?«
»Die Sternennebel betrachten.«
»So? Ich schätze, ich frag mich nur, wie viel wir wirklich über sie wissen.«
»Ich kann die meisten von ihnen mit Namen nennen.«
»Ah ja, aber das ist nicht ›wissen‹, oder? Was sind sie wirklich? Glaubst du, unseren Seelen ist es bestimmt, zwischen ihnen dahinzuschweben?«
»Die Herrin sagt, dass uns genau das widerfährt, wenn wir im Leben nicht uns selbst gegenüber wahrhaftig bleiben.«
»Ja, genau«, entgegnete er mürrisch, während er an seine Kindheit zurückdachte, an jene endlosen Sonntagmorgen auf der letzten Bank in der Kirche von Ashwell und an eine Mutter Lorellan, die in trister Monotonie aus den Schriften der Herrin vorlas. Und wer entscheidet, was wahrhaftig ist?
Kristabel drückte sich nur fester an ihn, ließ sich von den seltsamen Zweifeln, die seine Gedanken trübten, nicht die Stimmung verderben.
Ihre Privatgondel war an einem Steg am Rand des Pools festgemacht. Eine Laterne pendelte im Gang der Wellen an dem Gestänge der kleinen Leinwandkajüte. Es war nicht viel Platz in dem Zelt, und Edeard und Kristabel mussten sich auf der Sitzbank eng aneinanderschmiegen. Sie schlug sich eine Felldecke um die Beine. Als der Gondoliere ablegte und das Boot den Garden Canal hinauflenkte, begannen sie, sich zu küssen. Er fuhr mit seiner Hand durch ihr üppiges Haar, schmeckte ihre Lippen, dann ihre Wangen, ihren Hals, kehrte zurück zu ihrem Mund. Sie stöhnte erregt, ihr Geist verströmte Verzückung. Sogar ihre Gedanken schienen miteinander zu verschmelzen.
Schließlich zog sie sich zurück und schenkte ihm das zärtlichste Lächeln, das er jemals auf ihrem zierlichen Gesicht gesehen hatte.
»Was?«, fragte er. Es war schwerlich möglich, dass er ihre Gefühle missverstanden hatte. Er kannte nur wenige Mädchen, die so offenherzig waren wie Kristabel.
»Ich bin bereit dafür«, flüsterte sie mit sinnlicher Stimme. »Und ich weiß, du bist es auch.«
»Oh ja«, versicherte er ihr.
»Es ist nur –«
»Dein Vater?«
»Nein, Papa hält große Stücke auf dich. Er ist nicht wirklich so altmodisch, wie er auf den ersten Eindruck scheint.«
Edeard konnte sich ein ungläubiges Grinsen nicht verkneifen. »Ja, klar.«
»Ich denke, wir wissen beide, dass das mit uns nicht irgend so eine flüchtige Affäre ist.«
»Ja.« Ihre Worte lösten eine Art Echo aus, das an seinem Unterbewusstsein kitzelte, doch er schenkte dem keine weitere Beachtung.
»Ich möchte daher, dass es richtig ist.«
»Das wird es sein.«
Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Es ist schon sehr spät. Wir haben beide ordentlich gefeiert. Und du musst morgen früh um sieben auf der Wache sein. Nichts davon ist gut.«
»Und weiter?«
»Ich weiß, dass du mit Ranalee schlechte Erfahrungen gemacht hast, aber meine Familie besitzt ein Strandhaus außerhalb der Stadt. Es ist wirklich wunderschön. Ich würde mir wünschen, dass wir beide dorthin gehen. Nur du und ich. Für eine Woche.«
Zu spüren, wie sie sich an ihn presste, ließ ihn beinahe zittern vor Erregung. Gleichzeitig drangen ihr geflüstertes Begehren und die freimütigen Sehnsüchte in ihrem Geist mit mindestens der gleichen Macht wie jede der verbotenen Leidenschaften, die Ranalees Dominierungslongtalk entfacht hatte, auf ihn ein. »Ja«, presste er mit brüchiger
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