Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
»Mir tut ihr zukünftiger Ehemann jetzt schon leid.«
»Was ist mit deinem Vater?«, fragte Edeard.
»Beruhigt. Für den Augenblick. Wir müssen später beide mit ihm reden.«
Edeard versuchte, zuversichtlich zu lächeln.
»Er wird es verstehen. Mehr als jeder andere.« Sie ging zu einem langen Spiegel hinüber und betrachtete sich. »Oh, du meine Herrin, sieh mich nur an.«
»Du siehst fantastisch aus.«
»Das ist sehr rücksichtsvoll, wenn auch nicht der Wahrheit entsprechend.« Über Longtalk rief Kristabel ihre Zofe herbei. »Ich muss mich zurechtmachen, damit ich mich wieder unter Menschen trauen kann. Es wird eine Weile dauern.« Sie fing an, sich einzelne Strähnen aus dem wirren Haarknäuel herauszuziehen.
»In Ordnung.« Nun, da er sich gründlicher im Schlafzimmer umzusehen begann, fiel ihm auf, dass dort, wo Mirnatha eine zu große Vorliebe für die Farbe Rosa hegte, Kristabel einen etwas übertriebenen Hang zu Rüschen und Spitzen zu haben schien. Was ihn ein wenig beunruhigte.
»Du kannst warten, wenn du möchtest«, sagte sie.
»Würde ich gern. Ja.«
»Edeard, nicht hier.«
»Ach ja, richtig.«
Kristabel fand ein paar Haarklammern auf dem Frisiertisch. »Und Edeard.«
»Ja?«
»Was genau ist eigentlich dem armen Onkel Lorin im Innenhof zugestoßen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte er unschuldig und beeilte sich, die Tür hinter sich zu schließen.
Vor dem Eingang der Jeavons-Wache wartete Hauptmann Larose.
Allein sein Anblick, wie der Offizier dastand in seiner förmlichen blau-roten Uniform, mit seinem Schwert und seiner Pistole, die von einem weißen Ledergürtel herabhingen, den Rücken kerzengerade durchgestreckt, versetzte Edeard wieder zurück an jenen Tag, als er auf der Straße nach Makkathran zum ersten Mal einem Milizoffizier begegnet war. Und Larose trug auch die gleiche aristokratische Überheblichkeit zur Schau wie seinerzeit der Patrouillenführer. Fünf einfache Soldaten begleiteten ihn.
»Waterwalker«, sagte Larose, als Edeard ihn fast erreicht hatte.
»Hauptmann?«
»Bürgermeister Owain wünscht Euch zu sprechen.«
Edeard konnte sich keinen Reim darauf machen, erwiderte aber trotzdem: »Ich verstehe.«
»Ausgezeichnet.« Larose wandte sich zu seinen Soldaten um. »Angetreten, Männer.«
»Wozu die Eskorte?«, fragte Edeard.
Hauptmann Larose lächelte dünn. »Der Bürgermeister hat viel übrig für amtliches Drumherum. Er sagt, es hilft, die Leute an Recht und Ordnung zu erinnern.«
»Aha.«
»Ich persönlich finde dieses ganze Brimborium zum Kotzen. Mein Messestab verbringt halbe Nächte damit, meine Uniformen auf Vordermann zu bringen.«
Edeard widerstand dem Impuls, an sich herabzublicken und seinen eigenen Waffenrock zu überprüfen. Abgesehen von der neuen, die Kristabel ihm geschenkt hatte, trug er nach wie vor die Uniformen, die er sich während seiner Anwärterzeit gekauft hatte. Allmählich zeigten sie erste Zeichen von Abnutzung.
»Wohin gehen wir?«, fragte Edeard, als sie sich die Chates Street hinab Richtung Brotherhood Canal in Bewegung setzten. Er hatte angenommen, ihr Ziel wäre der Orchard-Palast.
»Zu den Milizställen«, erwiderte Larose. »Das Pholas-und-Zelda-Regiment rückt heute zur Provinz Talence aus, und es ist Tradition, dass die Truppen vom Bürgermeister verabschiedet werden.«
»Das wusste ich nicht.«
»Das kommt zurzeit sehr oft vor. Ich rechne selbst täglich mit einem Einsatzbefehl.« Mit einem wehmütigen Grinsen sah er Edeard an. »Nicht ganz das, wofür ich mich seinerzeit gemeldet hab, aber man hat halt so seine Pflichten, nicht wahr?«
»Ja«, stimmte Edeard bereitwillig zu.
»Guter Mann. Ihr wart in letzter Zeit für die Menschen eine ziemliche Inspiration. Wurde auch Zeit, dass mal jemand den Banden Mores lehrt. So ging’s einfach nicht mehr weiter.«
Edeard war einigermaßen überrascht. Er hatte nicht wirklich angenommen, dass der Hauptmann seine Sache gutheißen würde; inzwischen hatte er so viele aufgeblasene, nichtsnutzige Söhne der sogenannten vornehmen Familien kennengelernt, dass er sie dieser Tage gern über einen Kamm scherte. Doch trotz seines stutzerhaften Gebarens schien Larose zumindest noch mitzubekommen, was in der Welt vor sich ging.
Die Holzställe im Zentrum von Tychos weitem Weideland brummten und summten nur so vor geschäftigem Treiben. Am einen Ende hatte sich das Regiment selbst versammelt und in Reihen aufgestellt. Zweihundert Offiziere und Soldaten zu Pferde, in Uniform und
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