Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Erinnerung ihres ganzen Lebens.
Eigentlich hätte die Geschichte damit beendet sein sollen. Doch Jahre später erhielt Kazimir von den Guardians of Selfhood einen Auftrag, der ihn auf die Erde führte, und er riskierte wirklich alles, um sie wiederzusehen.
Zum Dank dafür wurde er verraten. Von ihr.
Sie hatte geglaubt, das Richtige zu tun, als sie den Sicherheitsdienst informierte. Doch nicht sie, sondern er war es gewesen, der recht gehabt hatte – der Starflyer war real und sann auf Rache. Kazimir war von einem seiner eigenen Agenten ermordet worden, und in zwölfhundert Jahren hatte Justine sich das niemals verziehen. Nicht einmal der Sohn, den sie ihm geboren und nach ihm benannt hatte, hatte ihren Schmerz zu lindern vermocht.
Und jetzt schenkten ihr die Träume diese zwei Tage noch einmal. Abermals blickte sie in sein sie anbetendes Gesicht, während er in die Wunder eingeführt wurde, die ihre beiden Körper vollbringen konnten. Erfuhr aufs Neue, wie es war, von ihm gehalten zu werden. Lachte mit ihm auf der Lichtung am Hang, wo das helle Sonnenlicht aus Far Aways herrlichem Saphirhimmel schien. Sah, wie er ihr über das Lagerfeuer hinweg, das sie abends vor dem Zelt angemacht hatten, sehnsuchtsvolle Blicke zuwarf. Beobachtete ihn im Schlaf. Erzählte ihm von ihrem Leben. Lauschte seinen Geschichten; Geschichten davon, wie es war, in den Bergen und Einöden in ständiger Angst vor dem großen Feind aufzuwachsen.
Zwei Tage, die ihr zeigten, was für ein Paradies ihr Leben hätte sein können, hätte sie nur den Mumm gehabt, ihre eigenen Konventionen über Bord zu werfen. Zwei Tage, die sie vor Glück weinen ließen, einfach nur, weil sie lebten. Zwei Tage, die sich immer weiter und weiter und weiter erstreckten … geschenkt von einem Traum, der ein Ding der Unmöglichkeit war. Denn man konnte in Suspension nicht träumen.
Nacht brach herein, und sie verlor ihn. Das Lagerfeuer musste ausgegangen sein und ihre Welt in klaustrophobischer Finsternis zurückgelassen haben. Die Luft war trockener, als sie es an dem Hang des Berges gewesen war.
Lichter lösten sich aus der Dunkelheit. Seltsame farbige Konstellationen, die ihr schläfriges Bewusstsein nur ganz allmählich zu begreifen begann. Die medizinischen Symbole in ihrer Exosicht sagten ihr, dass sie regenerierte.
»Oh verflucht«, ächzte sie. Die Abdeckung der Medikammer schob sich zurück, und dann fand sie sich in der Kabine der Silverbird wieder.
Es war nur ein Traum gewesen.
Sie setzte sich auf und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Status?«, fragte sie den Smartcore. Eine neue Oberfläche aus Exoimage-Icons und -Anzeigen poppte auf.
Sie war drei Jahre in Suspension gewesen; der Zielstern war noch ungefähr ein Lichtjahr entfernt. Und die Silverbird drosselte rapide ihr Tempo.
Irgendetwas näherte sich.
»Heilige Scheiße«, murmelte sie, als die Sensoren über den Besucher hinwegstrichen. Er war groß – groß wie ein Berg. Und das war nur der Kern. Er war umgeben von bizarren Segeln aus hauchdünner Materie, die fluktuierte wie Gas.
Ein Skylord mit seinen voll ausgebreiteten Vakuumschwingen.
Justine duschte und orderte sich eine anständige Mahlzeit, während die Silverbird und der Skylord auf Rendezvouskurs gingen.
Es dauerte fast den ganzen Tag, aber schließlich glitten sie in einem Abstand von tausend Meilen nebeneinander durch den Raum. Nun, da die Sensoren in der Lage waren, den Schleier der Vakuumschwingen zu durchdringen, stellte sich der Skylord als genau so dar, wie Inigos Träume sie ihnen gezeigt hatten. Ein länglicher, doch nicht fester Ovoid – als ob gewaltige Laken aus kristallinem Stoff zu einer Calabi-Yau-Struktur gefaltet worden wären, mit verschlungenen Krümmungen, die sich gegenseitig in verwirrender Komplexität überschnitten. Die verzerrten Oberflächen schimmerten in langen Diffraktionsmustern, die immerzu nach innen hineinflossen. Es herrschte so viel Oberflächenbewegung, dass sie nicht sicher sagen konnte, ob die Struktur an sich stabil oder selbst ständiger Fluktuation ausgesetzt war.
Sich auf der größten Couch zurücklehnend, die das Kabinenrepertoire hergab, streckte sie ihren Geist nach dem riesigen Wesen aus. Leuchtend tauchte es am Rand ihrer Fernsichtwahrnehmung auf, ein Leuchten, das dem des Gaiafields nicht unähnlich war. Zart und voller Emotionen.
»Hallo«, sagte sie.
»Sei uns willkommen«, erwiderte der Skylord.
»Hast du mich in dieses Universum gelassen?«
»Meinesgleichen
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