Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Saison in die Stadt zu Besuch.«
»Was ist mit Liebe?«, fragte er.
Beide Mädchen lächelten entzückt, ließen schmachtende Bewunderung hinter ihren eigenen, verhüllten Gedanken hervorströmen.
»Du bist so süß«, sagte Jessile. »Das ist eins von diesen Dingen mit dir. Ich kann’s so mühelos spüren. Wir alle können das. Du bist einfach endlos faszinierend. Stimmt es eigentlich, dass die Pythia, als sie dich zum ersten Mal gesehen hat, gesagt hat, du würdest mal Bürgermeister werden?«
»Was? Nein! So was hat sie nie gesagt.« Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, was sie denn gesagt hatte.
»Ich möchte dir gern irgendwann meine Freundin Ranalee vorstellen«, meldete sich Kristiana wieder zu Wort. »Sie ist eine von den Gilmorns, der Kaufmannsfamilie. Schrecklich reich. Außerdem ist sie eine Zweitgeborene und überaus heiratsfähig. Und sie hat mir gegenüber zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie sich freuen würde, dich kennenzulernen.«
»Äh, ja.«
Kristiana stand vor ihm auf und streifte sich mit aufreizend langsamen Bewegungen das lange, nasse Haar von den Schultern. »Und hübsch ist sie auch. Und jung, falls du dich das gerade fragst. Wenn ich euch miteinander bekanntmache, können wir ja heute Abend alle zusammen feiern, was meinst du?«
Edeard schnappte nach Luft.
Boyd wartete draußen vor Edeards Maisonette. Er trug einen langen, fellgefütterten Mantel über seiner feschesten Uniform. Ein schmutziger Regen nieselte aus einem bewölkten Himmel und nässte sein Haar. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt jedoch jäh inne, als er Kristiana und Jessile hinter Edeard auftauchen sah. Die Mädchen waren in weite Wollumhänge gehüllt, wie sie gerade modern waren. Sie verbargen so gerade eben ihre Theaterkleider vor etwaigen tadelnden Blicken.
»Meine Damen«, sagte Edeard höflich zum Abschied.
Beide lächelten geziert und gestatteten ihm, sie auf die Wange zu küssen.
»Denk dran«, sagte Kristiana. »Heute Abend. Ich und Ranalee.«
Ehrfurchtsvoll starrte Boyd auf die Mädchen, wie sie über den Laufgang in Richtung Treppe enteilten. Nach ein paar Schritten fingen sie an zu kichern, hakten sich gegenseitig unter und steckten tuschelnd die Köpfe zusammen.
»Das Alrado-Theater im Zelda-Distrikt«, warf Kristiana ihm noch über Longtalk zu.
»Ich werde da sein«, versprach Edeard und sah mit glücklichem Lächeln ihren entschwindenden Kehrseiten hinterher.
»Zwei!«, rief Boyd aus, während die Mädchen die Treppe hinabtrappelten.
Edeard war sich durchaus bewusst, dass sein Lächeln angeberisch wirkte. Aber das war ihm egal.
»Herrin! Wie hast du das gemacht? Tritt zur Seite, Macsen, der neue König ist auf seinem Thron.«
»Wie war’s mit Saria?«, entgegnete Edeard. »War der letzte Abend nicht euer fünfter?«
»Der neunte, um genau zu sein.« Boyds Grinsen bekam etwas Lasterhaftes. »Sie ist eine Matran, weißt du, die sechste Tochter des nächsten Distriktmeisters in ihrem Bezirk.«
»Schön für dich«, sagte Edeard. Er fand sich immer noch nicht wirklich zurecht im Dschungel von Makkathrans Aristokratie. Obwohl er natürlich in letzter Zeit eine beträchtliche Anzahl ihrer jüngeren Mitglieder kennengelernt hatte.
»Sie hat durchblicken lassen, dass sie einer Eheschließung gegenüber nicht abgeneigt wäre. Kannst du dir das vorstellen? Ich, der Sohn eines Bäckers, heirate in die Matrans ein?«
»Ist das denn so ungewöhnlich?«
Boyd klopfte Edeard auf den Rücken. »Oh, du altes Landei!«
Edeard fragte sich, was sein Freund wohl zu einer zweitgeborenen Tochter aus dem Hause Gilmorn sagen würde. Schon von Anfang an war ihm die auffällige Besessenheit der Stadt hinsichtlich Geld und Abstammung, so als ob nichts wichtiger wäre auf der Welt, als äußerst ungesund vorgekommen. Konnte es denn nicht sein, dass Ranalee darüber hinaus eine überaus reizende Person war? Da gibt’s nur eine Möglichkeit, das rauszufinden.
Über die untere Brücke, die den Outer Circle Canal überspannte, begaben sie sich in den Majate-Distrikt. Arminels Prozess fand im Hauptsaal der Gerichtshöfe statt, dem größten Saal, den es dort gab.
Die Wände der riesigen Vorhalle waren von Bogendurchgängen durchbrochen, durch die man zu den Amtszimmern der Richter und ihren Schreibern gelangte. Eine große Menschenmenge in vornehmen Roben hatte sich bereits dort versammelt, als Edeard und Boyd eintrafen. Mit gebührendem Respekt quittierte Edeard die Blicke, die sich auf ihn
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