Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
nach Wasser gelechzt hatte, begann gerade wieder Regen zu schmecken. Große Flächen, abgegrast von natürlichen Schafen und Rindern und den umherwandernden einheimischen Chamalan-Herden, reckten ihre letzten zarten Halme in die Höhe, bevor sie wieder vom Schnee zugedeckt wurden. Der Boden in diesen abgelegenen Landstrichen war nicht reichhaltig genug für Bauernhöfe, so gab es ein paar vereinzelte Rinderfarmen, aber das war auch schon alles. Obwohl sich rund um die Wipfel Wolken bildeten, war der Himmel wunderbar klar. Man konnte meilenweit sehen.
»Wenn sie sich hier unbemerkt fortbewegen wollen, können sie das nur durch die Bäume«, sagte Larby.
»Und die Lager müssen sich in Reichweite der Dörfer befinden«, pflichtete Topar ihm bei. Er wies auf die Kuppe des Mount Alvice am südöstlichen Ende des Tals. »Hinter dem Gipfel gibt es eine Hochebene mit mehreren Dörfern. Sandmarket ist von da aus nur einen Tagesritt entfernt.«
»So ein Gebiet wäre durchaus geeignet für sie«, stimmte Boloton zu. »Abgeschieden, aber nicht allzu weit entfernt von Regentfleet.«
Edeard fand, dass sie recht hatten, sagte jedoch nichts. Er war einverstanden damit, dass ausnahmsweise mal jemand anders die Entscheidungen traf. Topar hatte zwar nicht gesagt, wie lange sie hier draußen bleiben und versuchen würden, die Banditen aufzuspüren, aber sie hatten ausreichend Vorräte für zwei Wochen dabei.
Als sie wieder im Sattel saßen, führte Topar sie weiter auf den Mount Alvice zu. Wie zuvor hielten sie sich dicht an der Baumgrenze, um eine Entdeckung zu vermeiden. Sie nahmen an, dass die Banditen ebenfalls Ge-Adler einsetzten und wahrscheinlich auch Hunde. Sie alle hatten am ersten Tag aufmerksam Edeard gelauscht, als er ihnen von den gezähmten Rennfüchsen berichtet hatte, denen er seinerzeit in der Provinz Rulan begegnet war.
Gegen Mittag, als sie die Hänge des Bergs halb umrundet hatten, ließ Topar sie anhalten. Die Ge-Adler stießen herab und ließen sich auf den Baumwipfeln nieder. Verini, der den Ge-Adler mit normaler Sicht benutzte, hatte am Himmel über dem Pass zum Hochland zwei gleichartige Ge-Adler erspäht. Beide flogen hoch über dem steinigen Pfad, zogen in weiten Bahnen ihre riesigen Kreise.
»Ganz bestimmt Wachposten«, sagte Topar, nachdem sie die Ge-Adler mehr als eine halbe Stunde beobachtet hatten. »Wir müssen durch die Bäume, um an ihnen vorbeizukommen.«
Alle stiegen ab und führten ihre Pferde ins Gehölz. Edeard ging als Letzter und ließ seine Fernsicht noch einmal den Pass entlangschweifen, um zu sehen, ob er die Banditen ausmachen konnte, die die Ge-Adler instruierten. Doch nirgends war eine Spur von ihnen zu entdecken, auch nicht, als er den Verstohlenheitskonter benutzte – obwohl dieser ab einer gewissen Entfernung nicht mehr unbedingt verlässlich war. Entweder befanden sie sich auf der anderen Seite des Passes, oder sie hielten sich hinter irgendwelchen massiven Felsen verborgen.
Ihre Ge-Wölfe durchstreiften den Wald aus Kalkandbäumen, setzten ihre natürlichen Sinne ein, um jeden aufzuspüren, der sich im Unterholz versteckt haben mochte. Es war feucht und kalt unter den Ästen, fast als würden die hohen, bleiernen Stämme auf wundersame Weise einen Winternebel einsperren. Bald schon drang die Kälte durch ihre Jacken und Hosen und kroch ihnen in die Glieder. Alle mussten ihre dritten Hände hinzunehmen, um sich der tiefhängenden Zweige und kletternden, klammen Wedel zu erwehren. Das Untergestrüpp aus Bodendeckern, verkümmert aufgrund des mangelnden Lichts, zerrte an ihren Beinen und machte ihnen das Vorankommen noch schwerer. Von dem endlosen Baldachin aus roten Sporenzapfen tropften unablässig Baumsäfte auf ihre Mützen, die in zähen Rinnsalen auf die Schultern herabsickerten.
Es war später Nachmittag, als sie die andere Bergseite erreichten. Die Hochebene war weit gastlicher als das Passland, das hinter ihnen lag: Eine ausgedehnte Fläche aus Laubwäldern und weiten Auen mit kleinen Flüssen. Die Gipfel ringsum waren niedrig und nicht von einer Schneekappe bedeckt. Meilen entfernt, in nordöstlicher Richtung, konnten sie eine Ortschaft erkennen, deren gelbe Steinhäuser sich einen kleinen Hügel emporzogen. Dünne Rauchfahnen kräuselten sich aus Schornsteinen in den Himmel.
»Keine Schutzmauer«, stieß Edeard leise hervor. Selbst heute noch ein erschreckender Anblick für ihn. Er erinnerte sich noch gut an seine lange Reise mit der Barkus-Karawane und daran,
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