Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
Donnern herabstürzender Felsen wurde zu einem Grollen und verhallte, während die Lawine schlitternd zum Stillstand kam.
Edeard hob den Felsbrocken noch ein Stück über seinen Kopf, höher, auf das dreifache seiner eigenen Größe. Noch höher. Bis er sich auf gleicher Höhe mit den Höhlen auf der anderen Schluchtseite befand. Sieben Banditen kauerten dort auf einem langen Vorsprung, der sich vor den dunklen Öffnungen entlangzog. Ungläubig keuchten sie auf beim Anblick des massiven Felsens, der jetzt durch die Luft auf sie zuflog. Und schneller wurde.
Er traf den ersten, schleuderte ihn beiseite und hinab in die Schlucht. Der Aufprall machte den Felsen nicht einmal langsamer. Jeder auf dem Vorsprung versuchte sich in Sicherheit zu bringen, aber da war kein Platz, war keine Zeit. Der Felsbrocken schlug in sie hinein, zerquetschte ihre Körper zu Brei oder schickte sie wirbelnd in die Kluft. Dann ließ Edeard den Stein äußerst präzise auf den letzten Banditen herabfallen.
Danach stand er einfach nur da. Starrte wie betäubt auf die Schotterschneise, die die Lawine auf der anderen Seite der Schlucht geschaffen hatte. Er begann zu zittern. Zuerst seine Arme, dann seine Beine, dann entwich seinen Muskeln sämtliche Kraft. Er sackte auf die Knie.
»Dinlay?«, rief er mit Geist und Stimme. »Dinlay? Macsen? Topar? Irgendjemand?«
Er spürte die Rennfüchse kommen, am Boden der Schlucht eilten sie herbei, um nach ihrer Herren Pfeife zu tanzen. Um dem Eindringling den Tod zu bringen. Ohne überhaupt nur nachzudenken, stieß er seine dritte Hand in ihre Schädel und zerrte an dem weichen Hirngewebe. Lautlos sanken sie der Länge nach auf den steinigen Grund.
Die übrig gebliebenen Banditen folgten ihnen klammheimlich. Schlichen unter Verstohlenheit weiter, die Schnellfeuerwaffen bereit. Edeard ließ sie näherkommen. Dann tötete er sie. Schleifte sie von dort, wo sie kauerten und krochen, zu sich und brach ihnen das Genick. Einer nach dem anderen wurden sie ausgelöscht, fielen aus der Nacht, um tot neben ihren Rennfüchsen zu liegen. Er empfand nichts dabei. Keine Reue. Keinen Zorn. Nichts.
Dinlays zerfetzter Körper lag ausgestreckt über ihm auf dem Abhang, wo er eigentlich hätte sicher sein sollen. Wo er sicher gewesen wäre , nachdem Edeard ihn dorthinauf geschleudert hatte, wenn er nur unten geblieben wäre. Aber Dinlay würde sich niemals hinter einen Felsen kauern, während seine Kameraden angegriffen wurden. Nicht Dinlay.
Edeard richtete seine Fernsicht in die Schlucht hinunter. Macsens blutige Leiche starrte hinauf auf Odins See. Der Gefahr trotzend bis zuletzt, hatte er sogar noch einen Schuss abbekommen, nachdem der erste Kugelhagel eingeschlagen war. Fresage und Topar lagen begraben unter Bergen von Steinen. Boloton wurde von einem Fels am Boden gehalten, der auf seinen Beinen gelandet war. Weitere Steine waren auf ihn niedergeprasselt, während mehrere Geschosse seine Brust und seinen Kopf durchschlagen hatten. Er war nicht mehr wirklich wiederzuerkennen. Und Verini hatte es mehr als die Hälfte des Hangs hinaufgeschafft, bevor ihn die Schnellfeuerwaffen erwischten. Larbys Arme und Beine ragten unter einem der großen Felsbrocken hervor; von seinem Oberkörper war nichts mehr Übriggeblieben, aber ein fleischiger Blutfleck durchtränkte die Erde.
Edeard brach in Tränen aus. »Warum tust du mir das an?«, brüllte er hinauf zu Odins See. »Herrin, warum? Was hab ich Entsetzliches getan, dass du mich so unmenschlich strafst? Warum? Warum? Sag’s mir, du stinkende Hure.« Er schluchzte bitterlich. »Warum?« Dann lag er zusammengerollt auf dem Boden, hilflos. Wollte, dass dieses schreckliche Leben aufhörte. Wollte sterben.
»Edeard.«
Die Stimme kam von sehr weit her.
»Edeard, es ist noch nicht vorbei.«
Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht, verschmierte den an ihr klebenden Dreck und das Blut mit seinen Tränen. »Wer … oh.«
»Edeard.«
Durch seinen Schmerz hindurch seufzte er begreifend und streckte seine Fernsicht in die Richtung aus, von wo er glaubte, dass die Stimme kam. Konzentrierte sich, so gut er irgendwie konnte. »Der Meister von Sampalok selbst«, sagte er voller Trauer und Zuneigung.
Macsens Seele lächelte auf seinen Freund hinab. »Die kürzeste Regentschaft aller Zeiten.«
»Die unvergesslichste.« Edeards Fernsicht wechselte zu Dinlay, der neben Macsen stand. »Es tut mir so leid.«
»Es gibt nichts, dass dir leidtun müsste«, sagte Dinlay. »Du hast
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