Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
zusammen, um meine Hände von meinem Bauch fernzuhalten. Müde streifte ich meine Sachen ab, stieg in den nach Lavendel und Zitrone duftenden Schaum und ließ mich in das heiße Wasser gleiten, das meine Muskeln zu lockern begann.
»Soll ich hierbleiben?« Zweifelnd sah sie mich an. »Ich kann auch gehen, wenn du allein sein willst.«
»Nein, bleib ruhig.« Ich blinzelte ein paarmal, um die Tränen zurückzudrängen. Ich hatte in den letzten Wochen viel zu oft geweint. Dies waren Tränen der Erschöpfung, aber auch der Freude. Wrath kennenzulernen hatte in mir das Gefühl eines grundlegenden Friedens geweckt, auch wenn dadurch eine Unmenge an neuen Fragen aufgeworfen worden war. Zum Beispiel: Wie hatte er meine Mutter dazu verführt? Hatte er sich überhaupt etwas aus ihr gemacht, oder war es nur eine Mission gewesen, die sicherstellen würde, dass ich als Cambyra zurückkehren würde? Und Krystal … hatte sie sich in ihn verliebt, nur um schließlich mit einem Baby im Stich gelassen zu werden?
»Anadey …«, begann Rhia. »Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Denkst du, ihr Zauber hat gewirkt? Kann Grieves Gift dich trotzdem noch verhexen? Oder hat sie noch etwas anderes mit dir angestellt?«
Wieder einmal musste ich anerkennen, wie scharfsinnig Rhia war. Sie wusste, dass irgendetwas nicht stimmte.
Ich schloss die Augen und legte mich zurück an das warme Porzellan. Das heiße Wasser tat so gut. Schließlich zuckte ich mit den Achseln. »Ich denke nicht, dass das Gift noch länger ein Problem darstellen wird.«
»Peyton hat gesagt, du wärst davongeflogen. Hattest du denn den Anhänger dabei? Ich dachte, du hättest ihn zu Hause gelassen.«
»Nein, ich hatte ihn bei mir. Aber die Verwandlung wird immer leichter.« Ich regte mich nicht.
»Du veränderst dich – entwickelst dich. Sehr schnell. Ich hoffe nur, dass es nicht zu viel für dich wird.«
»Ich glaube, ich würde jetzt gern an gar nichts mehr denken.« Ich schloss die Augen wieder. »Könntest du mir eine Kerze anzünden und das Licht ausmachen, wenn du gehst?«
Rhia stand auf und strich sich nervös ihren Rock glatt. »Cicely? Wirst du versuchen, Anadey für das, was sie getan hat, zur Rechenschaft zu ziehen?«
Und erst jetzt begriff ich, dass sie Angst hatte, ich würde Anadey körperlich angreifen, vielleicht sogar töten. Ich lachte leise. »Nein, mach dir darüber keine Sorgen. Ich würde sie im Augenblick nicht mehr in der Kategorie Freundin führen – nicht, nachdem sie mir die Droge verabreicht hat –, aber ihr etwas antun? Nein.« Jedenfalls im Augenblick nicht.
Mit einem erleichterten Seufzer zündete Rhia eine Kerze an, verließ mein Zimmer und zog sanft die Tür hinter sich zu. Sobald ich allein war, bröckelte meine Fassade, und ich begann zu weinen. Ungehindert strömten die Tränen über mein Gesicht, und ich weinte um Grieve, um mein Volk, die Cambyra-Feen, und ich weinte um Chatter, den ich in meinem früheren Leben verraten hatte. Ich weinte um Rhiannon und Heather und um Anadey, die nicht die Freundin war, für die ich sie gehalten hatte. Und um Leo, dem die Selbstbestätigung so wichtig war, dass er eine Frau schlagen musste. Und dann weinte ich auch um Kaylin, der an die Fledermausleute gebunden war, die so gefühllos und bitter wirkten.
Und schließlich weinte ich auch um mich selbst, denn ich hatte keinen Schimmer, wie wir aus dieser ganzen Geschichte wieder herauskommen und glücklich werden konnten. Tatsächlich schien mir das Glück unerreichbar weit entfernt.
17. Kapitel
I ch schlief unruhig, weil ich kaum zu träumen wagte. Der Gedanke, dass Kaylin in der Lage war, sie zu spüren, vielleicht sogar zu lesen, bedrückte mich mehr, als ich es für möglich gehalten hatte. Ich wollte Privatsphäre, etwas, das nur mir gehörte, aber immer, wenn ich mit jemandem eine Verbindung einging, wurde mir ein Stück davon genommen.
Früh am Morgen erwachte ich von dem Ruf einer Eule vor meinem Fenster. Wrath hockte in der Eiche. Ich öffnete das Fenster und sah, dass er einen Zettel im Schnabel hielt. Vorsichtig kroch ich hinaus auf das verschneite und vereiste Dach und wartete schaudernd, und er flog vorbei und ließ den Zettel fallen, bevor er zu den Bäumen zurückkehrte.
Ich griff nach dem gefalteten Blatt Papier, wich rückwärts ins Zimmer und knallte das Fenster zu. Als ich das dicke, papyrusartige Blatt glattstrich, sprang mir eine dünne, krakelige Schrift entgegen, die auf keinen Fall von den
Weitere Kostenlose Bücher