Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
findest, werde ich kommen, doch solange ich nicht weiß, wie ich diesen durch Licht ausgelösten Blutrausch kontrollieren kann, wage ich nicht, mich in deiner Nähe aufzuhalten. Die Gefahr, dass ich dir oder deinen Freunden etwas antue, ist zu groß. Und, Cicely, wenn ich dir etwas antue, kann ich mich ebenso gut selbst töten. Im Augenblick gelingt es mir nur mit Mühe und Not, mich zu beherrschen. Ich liebe dich, aber ich bedeute Gefahr, und das weißt du.«
Er legte mir den Umhang um die Schultern und schubste mich in Richtung Garten. »Geh. Ich sorge dafür, dass du unbehelligt bis ins Haus kommst. Und dann verschwinde ich besser, bevor Myst entdeckt, wo ich bin.«
Mit diesen Worten zog er sich in die Schatten zurück. Widerstrebend setzte ich mich in Richtung Haus in Bewegung. Rhia sah mich kommen und rannte mir barfuß entgegen, um mich zur Veranda zu führen. Leo ließ es sich nicht nehmen, mich auf die Arme zu heben und ins Haus zu tragen. Sobald wir uns im Licht befanden, stieß Rhia einen kleinen Schrei aus. »Du warst mit Grieve zusammen!«
Ich sah sie ernst an. »Ich musste es tun … entweder mit ihm, oder ich hätte zu Lannan zurückkehren müssen, und die Götter mögen mir helfen, wenn ich das getan hätte.«
Kaylin war zurückgekehrt und winkte uns jetzt ins Wohnzimmer. Als Leo mich auf dem Sofa absetzte, rutschte mir der Umhang vom Körper, und hastig griff ich danach.
»He, ich hab nichts an, Leute.«
Aber Kaylin ignorierte es. »Ich konnte keinen Heiler finden, der mit mir kommen wollte, aber eine hat mir das hier gegeben.« Er reichte mir ein kleines Fläschchen mit orangefarbener Flüssigkeit. »Das dämmt das Fieber ein wenig ein, bis es sich aus deinem Körper herausgebrannt hat.«
Misstrauisch starrte ich das Fläschchen an. Eigentlich wollte ich den Inhalt nicht einnehmen. Die Intensität, die ich mit Lannan, mit Grieve, in meiner Eulengestalt empfunden hatte, flehte mich an, das Feuer nicht zu löschen. Jetzt endlich verstand ich, was manche Wesen an der Vampirexistenz so verlockte. Und warum Vampire so maßlos waren. Wenn das Leben andauernd so hell strahlte und wenn jede Empfindung zu einem Schaudern führte, dann musste es schwer sein, Versuchungen zu widerstehen.
Nach einer Weile blickte ich zu Kaylin auf.
»Du kämpfst mit dir«, flüsterte er. »Ich spüre es. Du bist hin- und hergerissen.«
»Ja.« Ich hielt die Phiole hoch. »Kein Risiko? Vertraust du der, die es gebraut hat?«
Er nickte. »Ja. Ich vertraue ihr.«
Nach einem weiteren Zögern öffnete ich den Verschluss und kippte den Inhalt in meine Kehle. Mochte das Blutfieber mich auch locken und bitten, meine Vernunft hatte gesiegt. Sobald die Flüssigkeit sich in meinem Innern auszubreiten begann, ebbte das Pulsieren merklich ab.
Cicely, kannst du mich hören?
Ulean – es war Ulean. Ja, natürlich. Wieso?
Weil du es nicht konntest, als du eben mit Grieve draußen warst. Du hörst mich nicht, wenn das Fieber dich in den Klauen hat. Jetzt weiß ich, warum Vampire keine Elementare mögen. Wir spüren ihre Stimmung, aber sie spüren nicht, wenn wir in der Nähe sind. Das war mir neu, und wir sollten das nicht vergessen.
Ich musterte das leere Fläschchen. »Ist das ein Heilmittel?«
»Nein, aber es stellt dich so lange ruhig, bis das Feuer verlischt. Und derart gedämpft, wird es höchstens noch fünfzehn bis zwanzig Stunden dauern. Du hast von einem alten Vampir getrunken: Lannan ist vieles, jung jedoch nicht.« Kaylin ließ sich nieder. Er wirkte grimmig. »Durch den Trank wird das Blutfieber abgemildert, nicht jedoch die anderen Folgen, die das Trinken hervorruft.«
»Und welche sollen das sein?« Mir fiel nichts Schlimmeres ein, es sei denn … »Er hat mich doch nicht hörig gemacht, oder?«
»Vorübergehend schon, aber es wird nachlassen. Doch die Tatsache, dass du von ihm getrunken hast, macht es ihm beim nächsten Mal leichter, dich in seinen Bann zu ziehen. Und solltest du noch öfter von ihm trinken, wird es immer unausweichlicher.« Seine Lippen bildeten einen grimmigen Strich. »Vampirblut heilt, verhext aber auch.«
»Ja«, sagte ich leise. »Bisher habe ich nie begreifen können, wieso es Bluthuren geben kann, aber wenn sie regelmäßig von ihren Herren trinken, dann verstehe ich, wie leicht es ist, danach süchtig zu werden.«
»Und eine Sucht ist das wirklich.« Leo reichte mir eine Decke, und ich wickelte mich darin ein und rollte mich erschöpft auf dem Sofa zusammen. »Was die meisten
Weitere Kostenlose Bücher