Das Echo aller Furcht
Ghosn. »Er ist seltsam, aber treu.«
»Er ist ein Ungläubiger – und Heide obendrein.«
»Gewiß, aber er war wenigstens höflich genug, in meiner Gegenwart dem Imam zuzuhören. Keine Angst, er ist treu.«
»Wir werden ja sehen«, meinte Kati und ging erschöpft und schnaufend zur Gepäckausgabe. Beim Gehen schauten sich die beiden mißtrauisch um, denn Blicke, die auf einem ruhen, sind immer ein verräterisches Signal. Selbst Profis fällt es schwer, die Augen von observierten Personen zu wenden.
Ohne Zwischenfälle fanden sie ihr Gepäck, und draußen wartete Marvin. Er konnte nicht verhindern, daß sie vom eisigen Wind getroffen wurden; eine solche Kälte hatten sie noch nie erlebt. Das warme Wageninnere war also sehr willkommen.
»Wie steht es mit den Vorbereitungen?«
»Alles läuft nach Plan, Kommandant«, erwiderte Russell und fuhr an. Die beiden Araber waren von dem weiten Land und der breiten Autobahn, auf der nur knapp 90 Stundenkilometer gefahren werden durfte, und dem offenkundigen Wohlstand in der Gegend recht beeindruckt, schwiegen aber. Einen positiven Eindruck auf sie machte auch Russell, der offenbar sehr ordentlich gearbeitet und sie nicht verraten hatte. Nun konnten sie freier atmen. Kati hatte zwar eigentlich nicht mit einem Verrat gerechnet, wußte aber, daß er, je mehr er sich seinem Ziel näherte, um so verwundbarer wurde. Das war normal.
Das Farmhaus war recht geräumig. Russell hatte es vorsorglich etwas überheizt. Doch das fiel Kati nicht zuerst auf, sondern wie leicht es zu verteidigen war: rundum freies Schußfeld. Russell führte sie ins Haus und holte ihre Koffer.
»Ihr müßt todmüde sein«, merkte Russell an. »Legt euch doch erst mal aufs Ohr. Hier seid ihr sicher.« Kati befolgte den Rat, Ghosn blieb auf und ging mit Russell in die Küche, wo er erfreut feststellte, daß Marvin ein guter Koch war.
»Was ist das für ein Fleisch?« fragte Ibrahim.
»Wild – vom Reh. Daß du kein Schweinefleisch essen darfst, weiß ich, aber Reh ist doch bestimmt nicht verboten.«
Ghosn schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich habe es noch nie gegessen.«
»Es ist gut, das kann ich dir versprechen. Ich habe es heute früh gekauft und nach der Art meiner Vorfahren zubereitet. Ein Rancher hier in der Gegend züchtet Maultierhirsche. Auch Beefalo solltest du mal probieren.«
»Was, bei Allah, ist das?«
»Beefalo? Eine Kreuzung zwischen Rind und Büffel. Mein Volk ernährte sich von Büffeln, das sind die größten Kühe, die du je gesehen hast!« Russell grinste. »Gutes, mageres und gesundes Fleisch. Aber Wild ist am leckersten, Ibrahim.«
»Nenn mich bloß nicht bei meinem Namen«, sagte Ghosn, der nun seit 27 Stunden wach war, müde.
»Ich habe die Ausweise für dich und den Kommandanten besorgt.« Russell holte zwei Umschläge aus einer Schublade und warf sie auf den Tisch. »Mit den Namen, die ihr wolltet. Nun brauchen wir nur noch die Paßbilder auf den Karten zu befestigen. Das Gerät dazu habe ich hier.«
»War das schwer zu besorgen?«
Marvin lachte. »Ach was, das kriegt man in jedem Laden. Ich habe meinen eigenen Führerschein als Vorlage benutzt, Farbkopien gezogen und mir dann die Geräte für erstklassige Fälschungen besorgt. Viele Firmen benutzen Ausweiskarten mit Bild, und die Ausrüstung zu ihrer Herstellung ist genormt. Das Ganze dauert nur drei Stunden. Morgen und übermorgen haben wir dann Zeit, alles durchzugehen.«
»Gut gemacht, Marvin.«
»Trinkst du einen mit mir?«
»Meinst du Alkohol?«
»Klar, ich hab’doch gesehen, wie du mit diesem Deutschen ein Bier gezischt hast – wie hieß er noch mal?«
»Manfred Fromm.«
»Stimmt. Komm schon, ein Glas ist bestimmt nicht so schlimm wie Schweinefleisch.«
»Danke, aber ich verzichte lieber.«
»Wie du willst. Was macht Fromm?« fragte Marvin beiläufig und schaute nach dem Fleisch, das fast weich geschmort war.
»Dem geht’s gut«, erwiderte Ghosn lässig. »Er besucht gerade seine Frau.«
»Was habt ihr da eigentlich zusammengebastelt?« fragte Russell und goß sich einen Schuß Jack Daniel’s ein.
»Er hat uns beim Sprengstoff geholfen. Er ist Experte auf diesem Gebiet.«
»Super.«
Der erste Lichtblick seit Tagen, vielleicht sogar Wochen, dachte Ryan. Es gab eine leckere Mahlzeit, und er war so früh heimgekommen, daß er sie zusammen mit den Kindern einnehmen konnte. Cathy war offenbar zeitig aus der Klinik zurückgekehrt und hatte sich bei der Zubereitung Mühe gegeben. Am schönsten
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