Das Echo der Flüsterer
gemein hatten, war ihre Einfalt.«
»Wie meinst du das?«
»Gorrmacks sind schlauer als Tiere, aber im Vergleich zu uns besitzen sie ein eher schlichtes Gemüt. Deshalb kann man sie leicht beeinflussen, was sich die Malkits mehr als einmal zunutze gemacht haben. Die Gorrmacks richteten früher großen Schaden an, doch im Laufe der Jahrhunderte wurden fast alle getötet.«
»Wie kann jemand etwas umbringen, was so riesig ist?«, fragte Jonas erstaunt.
»Es hat immer einige Bonkas gegeben, die mit besonderen Gaben gesegnet waren.«
Jonas nickte traurig. »So wie Goldan.«
»Meine Erinnerung zeigt mir nur ein unklares Bild von dem, was sich einst im Zwieland zutrug, aber anscheinend hat sogar Keldin der Schmied vor langer Zeit einen Gorrmack besiegt.«
»Hat er ihn etwa erschlagen?«, fragte Jonas spöttisch.
Darina schüttelte lächelnd den Kopf. »Keiner konnte den blauen Kristall so bearbeiten wie Keldin. Irgendwie muss er es geschafft haben, das Wesen in einen tiefen Schlaf zu versetzen.«
»Eine Art Betäubung wie bei dir?«
»So ungefähr, ja. Wenn mich mein Wissen nicht trügt, dann gibt es heute nur noch einen einzigen, dafür sehr lebendigen Gorrmack, und der hält sich in der Spiegelregion versteckt, weil selbst sein kleiner Verstand ihm sagt, dass er dort am sichersten ist.«
»Das ist wohl wahr!«
Eine Zeit lang blickten beide mit trüben Augen in das Lagerfeuer. Ihre Gedanken trieben ziellos dahin, wie Eisschollen auf einem kalten Meer. Mit einem Mal meldete sich eine warme, freundliche Stimme.
»Das Essen ist fertig.«
Jonas sah zu Bergalf auf, der ihm einen dampfenden Topf hinhielt, und zwang sich zu einem Lächeln. »Komm, setz dich doch zu uns.«
Bald waren zwei Menschen und fünf Bonkas um das Mattenfeuer versammelt und löffelten die kräftige Gemüsesuppe, die Mangaar zubereitet hatte. Auch der Rabe bekam seinen Teil ab. Allmählich entspann sich ein Gespräch. Jeder versuchte, sich von den Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen.
Nachdem Ximon und Lischka einige Zeit über die Qualitäten ihres verschollenen Freundes Tamakh gesprochen hatten, fragte Bergalf sie unverwandt: »Wie kommt es, dass erst Darina den Kristallrat auf die Gefahr aufmerksam machen musste, die von dem Bären und dem Adler ausgeht? Entschuldigt meine Frage, ich halte mich die meiste Zeit in den Bergen und Wäldern auf und bin nicht ganz auf dem Laufenden, was die Beobachtungen der Flüsterer betrifft.«
»Deine Frage ist durchaus berechtigt«, antwortete der für einen Bonka geradezu hünenhafte Lischka. »Aber ist es nicht oft so, dass man sich später, nachdem eine Sache bekannt geworden ist, gegen die Stirn schlägt und ruft: ›Warum bin ich denn nicht selbst darauf gekommen?‹«
»Dann habt ihr die Gefahr also gesehen, aber nicht richtig eingeschätzt?«
»Nun, wie wir vor dem Kristallrat schon erklärt haben, wussten wir seit Monaten von der Entwicklung in den Ländern, die Darina als die des Bären, Adlers und Moskitos bezeichnet hat.«
Von dieser Feststellung ausgehend berichtete Lischka Einzelheiten, die Jonas in Erstaunen versetzten. Er selbst habe Ministerpräsident Nikita Chruschtschow in der Höhle der Flüsterer beobachtet, als jener im April des Menschenjahres 1962 einen cholerischen Anfall erlitt. Der Adler hatte es gewagt, dicht an der Grenze des Bären seine Jupiter-Raketen aufzustellen. In demselben Monat April waren sie dann auch schon einsatzbereit gewesen.
»Du meinst, die Amerikaner haben schon vor einem halben Jahr genau das getan, was sie den Russen nun auf keinen Fall erlauben wollen?«, fragte Jonas verwundert. Er erinnerte sich noch sehr gut an Frank Holloways ebenso entsetzte wie empörte Bemerkung über die sowjetischen Raketen im »Hinterhof« der Vereinigten Staaten.
Lischka nickte bedeutungsschwer. »Eine recht eigenwillige Moral, die der Adler da an den Tag legt.«
»Uncle Sam war noch nie besonders zimperlich, wenn es darum ging, sich einen strategischen Vorteil zu verschaffen«, warf Sam Chalk mit gleichmütiger Miene ein.
Jonas sank kraftlos in sich zusammen. Nun hatte er sich immer bemüht, umso misstrauischer zu sein, je überzeugter ein anderer ihm seine Meinung aufzutischen versuchte, und jetzt war er trotzdem auf einen solchen Betrug hereingefallen: Der sportlich-jugendliche Präsident Kennedy, der nichts anderes als den Frieden der freien Welt im Sinn zu haben schien, betrieb ein doppeltes Spiel! Jonas konnte es nicht fassen.
Um einige Illusionen ärmer
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