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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vorher ahnte?
    »Du bist sehr wertvoll für uns«, sagte sie prompt.
    »Den Eindruck habe ich überhaupt nicht.«
    »Hast du etwa schon vergessen, dass du mich geweckt hast?«
    »Das war ein Glückstreffer. Je länger ich bei euch bin, desto öfter frage ich mich, warum ihr überhaupt Menschen zu euch ruft.«
    »Aber das ist doch ganz einfach, mein Bruder. Ohne euch wären wir gar nichts.«
    »Ihr beobachtet uns auf Schritt und Tritt und flüstert uns auch noch ein, wie wir unsere Zukunft gestalten sollen.«
    »Das ist nicht wahr, Jonas!«
    Darinas heftige Antwort ließ den Jungen zusammenzucken.
    »Wenn du nicht alles vergessen hast, was wir dir in den letzten Tagen gezeigt haben, dann müsstest du eigentlich wissen, wie wenige von euch Menschen überhaupt auf uns hören«, fuhr die Wissende erregt fort. »Außerdem sind wir weit davon entfernt, alles zu sehen, was ihr plant und tut. Es stimmt, wir rufen nur dann ein Menschenkind zu Hilfe, wenn wir unsere beiden Welten in großer Gefahr sehen. Aber wir wenden uns an euch nicht als Herren, sondern Brüder. Es hat immer Menschen gegeben, die eine bestimmte Situation besser beurteilen konnten als die Flüsterer, denen ja immer nur ein Fenster in eure Welt offen steht. Was sich links und rechts von unserem ›Fensterrahmen‹ befindet, das wisst nur ihr. Deshalb brauchen wir euch!«
    Jonas blickte beschämt zu Boden. Er hatte Darina bestimmt nicht verletzen wollen. Kleinlaut entgegnete er: »Ich bin ein fünfzehnjähriger Junge, der von Politik nicht den leisesten Schimmer hat. Ihr wolltet in Wirklichkeit doch Dr. Gould zu euch rufen. Aber ich… wie könnte ich euch schon helfen?«
    »Glaube mir, Jonas, es ist kein Zufall, dass du zu uns gekommen bist.« Darinas Stimme klang nun wieder sanft. Jonas fasste Mut, schaute ihr zögernd in die Augen. Zuletzt nickte er stumm und sie lächelte ihn an.
    »Seid ihr bereit?«, erklang Mangaars Stimme von den Packtieren her.
    Jonas raffte seinen Schlafsack und die Jacke, die er von den Bonkas geschenkt bekommen hatte, vom Boden auf und gesellte sich mit Darina zu den übrigen Gefährten. Er verstaute seine Sachen hinter Trojans Sattel und bestieg das nervös schnaubende Reittier. Sam war gerade damit beschäftigt, seine Zehenspitzen vor dem munter zuschnappenden Gebiss seines hinterlistigen Bocks in Sicherheit zu bringen. Die Schelpins hatten sich offenkundig von den Strapazen des vergangenen Tages am schnellsten erholt und waren schon ganz ungeduldig endlich wieder über abschüssige Gebirgspfade tänzeln zu dürfen.
    Jonas sprach in den folgenden Stunden wenig mit den Gefährten. Darina hatte so viel gesagt, was er nicht verstand. Vor allem die Zweifel, die sie in Bezug auf Kraark in ihm geweckt hatte, machten ihm schwer zu schaffen.
    Im Laufe des Vormittags überquerte die Karawane einen von heulenden Winden heimgesuchten Pass. Es war richtig unheimlich und Jonas atmete erleichtert auf, als endlich der Abstieg begann. Oder war es ein Aufstieg? Er musste an die verwirrenden Hängenden Berge denken und versuchte schnell seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken.
    Als die Mittagszeit sich näherte, traten die Tatzen der Schelpins und die Hufe von Darinas Hirsch auf das erste Grün. Jonas empfand beim Anblick der bunten Gebirgswiese in etwa das Gleiche wie ein durstiger Wanderer, dem ein Schluck kühles Wasser angeboten wird. Als er zu dem strahlend blauen Himmel emporsah und einmal mehr erfolglos nach der Sonne Ausschau hielt, stellte er erstaunt fest, wie sehr er sich schon an den allgegenwärtigen Blaustich gewöhnt hatte. Die Farben seiner Umgebung kamen ihm völlig natürlich vor.
    Bald entdeckte er auch die ersten Tiere. Zunächst waren es Insekten, dicke Hummeln, welche die Wiesenblumen besuchten, Grashüpfer, die vor den Tatzen der Schelpins die Flucht ergriffen. In der Ferne verfolgten einige Murmeltiere, in Habachtstellung auf den Hinterbeinen und mit hängenden Vorderpfoten, die Störenfriede, die da so einfach unangemeldet durch ihr Revier zogen. Ein buntes Vögelchen flatterte dicht an Jonas’ Nase vorbei.
    »Wo bleibt eigentlich der Rabe?«
    Jonas sah Darina erschrocken an. »Ich habe dich gar nicht bemerkt. Er… Er ist immer noch nicht von der Schlucht zurückgekehrt.«
    »Ich wünschte, dein gefiederter Freund könnte Goldan in irgendeiner Hinsicht helfen oder uns eine Nachricht von ihm überbringen.«
    »Ich bin froh, dass du es genauso siehst wie ich.«
    »Du musst dir nicht ständig Sorgen machen, ob du für

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