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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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eignen schien.
    Doch es gab auch ›Querköpfe‹, Länder, die etwas dagegen hatten, wenn ihre Bodenschätze den ›großen Bruder‹ immer fetter machten, während das eigene Volk hungerte. Auch der amerikanische Lebensstil war nicht nach jedermanns Geschmack. Und einige Staaten sperrten sich sogar gegen den politischen Anspruch der Vereinigten Staaten.
    Gerade der ›russische Bär‹, wie manche die Union der Sowjetrepubliken nannten, schickte sich an, ›Gottes eigenem Land‹ den Rang als führende Nation der Welt streitig zu machen. Schon im Jahr nach meiner Geburt wagte der Leitbär Stalin eine Kraftprobe. Er wählte Westberlin zum Ort der Auseinandersetzung. Kurzerhand sperrten die Sowjets alle Zugangswege in den Westteil der Stadt. Amerika und seine Verbündeten schienen nur die Wahl zu haben Berlin aus der Hand zu geben oder die Bevölkerung der Stadt verhungern zu lassen. Es war schon ein beinahe genialer Geistesblitz, der den amerikanischen Präsidenten Truman dazu veranlasste, die Einrichtung einer Luftbrücke zu befehlen – und das für die Versorgung von zwei Millionen Menschen! –, obwohl doch seine Generäle sich so gerne in einen neuen Waffengang gestürzt hätten…«
    »Hast du dich schon einmal gefragt, ob die Flüsterer dabei ihre Finger im Spiel gehabt haben könnten?«, unterbrach der Alte den Vortrag von Jonas.
    »Oh, nein! Hatten sie denn?«
    Der Greis lächelte wissend und nickte Jonas aufmunternd zu. »Und was geschah dann?«
    »Na ja, Berlin bekam zwar die Zähne des russischen Bären zu spüren, aber der konnte es dann doch nicht als Beute wegschleppen. Amerika hatte wieder einmal Stärke bewiesen. Aber das Land hatte auch die Erfahrung machen müssen, dass alles Herbeisingen von Gottes Segen nichts half, wenn der uneinsichtige Nachbar dabei nicht zuhörte oder wenn jener selbst gar noch ein Stück vom Kuchen der Welt abhaben wollte. Eine Einsicht, die sich nur allzu bald bestätigen sollte.
    Im Jahre 1950 brach der Koreakrieg aus. Er war ein Alptraum für das amerikanische Volk, einer von jener schlimmen Sorte, die man auch nach dem Erwachen nicht so schnell abschütteln kann. Anders als in den Weltkriegen hatten sich die Vereinigten Staaten in Ostasien mehr als nur ein blaues Auge eingefangen. Das Selbstbewusstsein des stolzen Landes schien zutiefst erschüttert.
    Wie so oft, wenn viele Menschen leiden, fand sich auch hier einer – er hieß Joe McCarthy –, der wusste, wer an allem schuld war: nämlich die Kommunisten. Nicht einfach nur der Kommunismus, wie man das politische System der Sowjetunion der Einfachheit halber nannte, sondern die irregeleiteten, nein, besser noch: teuflischen Menschen, die ›rot‹ dachten, redeten oder sich irgendwie so verhielten.
    Der Koreakrieg, der Kommunismus und etliche Besorgnis erregende Korruptionsfälle hatten gezeigt, dass Toleranz und Offenheit auch ihre Grenzen hatten, das jedenfalls glaubte Joe McCarthy. Der Senator des Bundesstaates Wisconsin war überzeugt, dass man Menschen jagen musste, wenn man ein Übel ausrotten wollte… Und er jagte allen nach, die irgendwie rot waren. Er drangsalierte, diffamierte, zerrte die Menschen vor seinen ständigen Untersuchungsausschuss zur Bekämpfung ›unamerikanischer Umtriebe‹ oder ließ verdächtige Personen (für ihn war fast jeder verdächtig) gar nicht erst ins ›Land der unbegrenzten Möglichkeiten‹ einreisen. Auch mein Großvater stand in diesen Jahren auf der Abschussliste. Es war die Zeit, als er sich endgültig in die Sümpfe der Everglades zurückzog und eine Alligatorenfarm aufbaute.
    Als der Spuk 1954 endlich vorüber und das allgemeine Jagdfieber einer schalen Benommenheit gewichen war, erkannte man schnell, dass zu des Senators bevorzugten Opfern hauptsächlich diejenigen gehört hatten, die er persönlich nicht ausstehen konnte, oder solche, die irgendwie seiner Karriere im Wege gestanden hatten. Manche sagen, er sei ziemlich gerissen gewesen – wenn auch nicht allzu klug. Vielleicht war das der Grund, weshalb er vor allem Lehrer, Professoren und Wissenschaftler nicht leiden konnte.
    Mein Großvater hat einmal gesagt, dass Übereifer am Ende genau das Gegenteil des gewünschten Ergebnisses hervorbringt. So war es auch bei McCarthy. Sein Höhenflug endete, als man ausgerechnet ihm, der doch neben dem Kommunismus vor allem die so weit verbreitete Korruption angeprangert hatte, selbst eine peinliche Unregelmäßigkeit vorhielt: ein paar ungerechtfertigte Vergünstigungen für

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