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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Licht über eine so große Fläche hin gefaltet, Jonas. Außerdem kann ich es nicht in jeder beliebigen Entfernung tun.«
    »Das wird aber ganz schön knapp.«
    »Ich wäre dir nicht böse, wenn du dich in Sicherheit bringst, mein Freund.«
    »Kommt gar nicht in Frage.«
    Die anderen dachten ähnlich wie Jonas. Ximon nickte entschlossen. Nur Numin, Sarah und Sam waren unten in der Stadt geblieben, um den verzweifelten Keldinianern zu helfen. Sarah nahm sich eines kleinen Mädchens an, das von seinen flüchtenden Angehörigen vergessen worden war, und der kräftige Pilot räumte immer wieder Hindernisse beiseite, die andere auf der Flucht zurückgelassen hatten und die nun den nachströmenden Kleinen im Weg waren. Im Vergleich zu den Kalvarern war Sam Chalk ein Riese und wenn er keuchend und brüllend einen Handkarren wie einen Schuhkarton zur Seite schleuderte, wichen die ohnehin schon verängstigen Stadtbewohner erschrocken vor ihm zurück.
    Robert musste mit ansehen, wie der Gorrmack sein Haus dem Erdboden gleichmachte. Der Lapislazulipalast wurde von einem einzigen Fußtritt des Ungetüms zu Staub zermahlen.
    Noch immer konnte Jonas den Reiter des Gorrmacks nicht sehen, aber Minuq und Kraark hatten ihm ja versichert, dass es ihn gab. Dafür trat die Gestalt des titanenhaften Wesens nun umso deutlicher in Erscheinung. Der Gorrmack war so lang wie ein Ozeanriese. Die Lichter und Feuer der Stadt wurden von seinem glitzernden Kristallleib zurückgeworfen. Er erinnerte an ein urzeitliches Wesen, das – im Gegensatz zu dem Exemplar, das Jonas in der Spiegelregion gesehen hatte – auf nur vier Beinen durch die Landschaft stapfte. Jeder Mammutbaum musste gegen diese Gliedmaßen wie ein dünnes Streichholz wirken. Mehrere Reihen aufrecht stehender Schuppen liefen dem Wesen als Schutzpanzer über den Rücken. Der endlos wirkende Schwanz zog eine Spur der Verwüstung hinter sich her und das lange breite Maul schnappte nach allem, was ihm in die Quere kam. Da gab es nicht viel – einige Bäume, ein stehen gelassener Wagen…
    »Er sieht aus wie ein Alligator!«, murmelte Jonas. Seine Augen waren weit geöffnet. Er musste unweigerlich an Old Big Shadow denken.
    »Was sagst du da?«, drang die Stimme seines Vaters an sein Ohr.
    »Der Gorrmack. Er sieht aus wie einer der Alligatoren von Großvaters Farm.«
    »Das finde ich überhaupt nicht. Schau, seine Größe und sein glitzernder Körper…«
    »Aber das sind doch nur Kleinigkeiten«, wiegelte Jonas ab.
    »Na, ich weiß nicht…«
    »Natürlich sieht er nicht genau wie ein Mississippi-Alligator aus. Ein bisschen hat er auch etwas von einem Drachen.«
    »Das will ich wohl meinen!«
    Jetzt konnte Jonas auch den Reiter erkennen. Kanthelm war nur eine kleine Figur irgendwo auf dem Kopf des Riesen. Ein merkwürdiger Gedanke drängte sich in Jonas’ Geist. Wie hatte der Malkit es nur geschafft, dieses Wesen zu zähmen? Immerhin hatte Darina berichtet, dass die Gorrmacks durchaus einen eigenen Willen besaßen, wenngleich ihr Verstand nicht mit dem von Tieren wie Kraark, Talinka und Minuq zu vergleichen war…
    Ein Brüllen so laut wie ein Erdbeben ließ ihn seinen Gedankenfaden verlieren. Der Gorrmack hatte sein Maul dabei gegen den Erdboden gerichtet, mit verheerender Wirkung: Alle Fensterscheiben des äußeren Stadtrings zerbarsten, als bestünden sie nur aus dünner Zuckerglasur.
    Kanthelm! Ganz gegen seine Art entwickelte Jonas langsam einen tiefen Hass gegen diesen Mann. Was hatte dieser Malkit nicht schon für Schaden angerichtet und nun war er drauf und dran, eine ganze Stadt einzuebnen! Jonas schien es, als trage Kanthelm über dem linken Auge eine Binde. Der Gorrmack war mittlerweile nur noch einen Bogenschuss von den ersten Häusern entfernt. Noch einmal blitzte der seltsame Gedanke durch Jonas’ Geist. Er holte tief Atem und sah zu Bergalf hinüber. Dann geschah etwas Unerwartetes.
    Kurz vor dem ersten Haus der Stadt blieb das Ungetüm stehen. Die Luft vor dem riesigen Wesen flimmerte eigenartig. Sein gewaltiger Leib schien einen Schatten auf eine senkrechte Nebelwand zu werfen. Der Gorrmack stand da wie das monumentale Werk eines größenwahnsinnigen Eisbildhauers. Dann begann sich der Drache wieder zu regen.
    Ein aggressives Zischen entwich dem Maul des Riesen und verursachte eine mächtige Staubwolke in den Straßen der Stadt. Der Gorrmack bewegte lauernd den Kopf hin und her. Sein Leib hob sich auf den Beinen etwas in die Höhe. Immer noch blickte er starr auf die

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