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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sagte Jack Kennedy. »Kein Wunder, nach einem solchen Tag. Streichen Sie einfach die letzten Sätze aus dem Protokoll. Ich schlage vor, wir ruhen uns alle etwas aus und treffen uns wie vereinbart morgen früh wieder.«
    Das Bild mit dem Präsidenten verschwand.
    »Was ist, Jonas? Ich dachte schon, der Spiegel sei dir runtergefallen.« Robert stand in der Tür und blickte in den abgedunkelten Saal.
    Jonas hatte den Spiegel aus seiner Halterung gerissen und drückte ihn nun fest an die Brust. »Was? Nein, ich hab ihn schon. Von mir aus können wir los.«
    »Dann komm, man kann den Gorrmack bereits hören.«
    Als Jonas den gewundenen Pfad hinabritt, der vom Lapislazulipalast nach Kalvar führte, sah er in der Ferne ein undeutliches Glitzern. Das Licht war noch zu schwach, um Einzelheiten erkennen zu können, aber das Stampfen gewaltiger Beine drang bis tief in die Stadt hinein.
    »Können wir irgendetwas gegen den Gorrmack tun?«, erkundigte er sich bei Darina, deren weißer Hirsch grazil neben seinem Schelpin herlief.
    »Ich fürchte nicht, Jonas.«
    »Vielleicht doch«, mischte sich Bergalf ein. Er hatte sein Tier auf die andere Seite von Jonas gelenkt.
    »Glaubst du, deine Gabe könnte uns helfen?«, fragte Darina.
    Bergalf zuckte mit den Schultern. »Ein Versuch kann nicht schaden.«
    Das riesige Kristallwesen aus der Spiegelregion stampfte wieder durch Jonas’ Geist. »Was kann ein solches Geschöpf schon aufhalten?«
    »Mir fällt da nur eines ein.«
    Jonas zog fragend die Augenbrauen zusammen.
    Bergalf lächelte grimmig. »Was würde der Bursche wohl davon halten, wenn er sich plötzlich einem zweiten Gorrmack gegenübersähe?«
    »Du machst mir Spaß. Hast du etwa einen in der Satteltasche?«
    »Das nicht, aber warte nur ab.«
    Kalvar drohte im Chaos zu versinken. Numins Nachricht vom Herannahen eines berghohen Kristallwesens war ja auch zu schrecklich, um sie einfach mit einem Achselzucken abzutun. Dennoch folgten nicht alle seinem Rat in die äußeren Bezirke der Stadt zu fliehen, die am weitesten von dem vermuteten Durchzugsgebiet des Untiers entfernt lagen. Einige Kalvarer hielten seine Warnung nur für einen ziemlich geschmacklosen Scherz. Ein Gorrmack! So etwas kam doch nur in den Legenden vor. Selbst wenn es einmal solche Wesen gegeben hatte, dann waren sie von Keldin, dem Stammvater und sagenhaften Staatsgründer, vor langer, langer Zeit ausgemerzt worden.
    Als das glitzernde Kristallwesen nur noch eine Meile von der Stadt entfernt war, ließen sich auch die letzten Zweifler überzeugen. Kreischend rannten die Keldinianer um ihr Leben. Sosehr sich kühlere Köpfe auch bemühten, die schlimmen Folgen einer Panik konnten doch nicht überall verhindert werden. Etliche Kleine wurden einfach in den Staub getreten und blieben regungslos liegen. An anderen Stellen loderten Feuer auf, die Folgen von Hast und Angst, die jede Vorsicht erstickten.
    Jonas glaubte, in seinem Magen würden Mahlsteine aufeinander reiben, während er den Vormarsch des riesigen Wesens verfolgte. Er und die meisten seiner Gefährten standen auf dem Dach eines Hauses, das sich dicht an der Linie befand, die der Gorrmack nehmen musste. Vorausgesetzt, er behielt den Kurs bei, den Kraark ausgespäht hatte. Als der Rabe von seinem Erkundungsflug zurückgekehrt war, hatte er einen wandelnden Kristallberg beschrieben, der weder nach rechts noch nach links abwich, sondern alles platt walzte, was ihm in die Quere kam. Jonas war ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen, als Kraark den Reiter des gigantischen Wesens erwähnt hatte. Der Gorrmack marschierte nicht ziellos auf die Stadt zu, er wurde von einem boshaften Geist gelenkt oder – wenn man den sturen Geradeauskurs des Riesen in Betracht zog – zumindest grob in diese Richtung dirigiert.
    Minuq saß an Jonas’ Seite. Der große Wolf wirkte äußerlich ruhig. Nur die Spitze seiner Rute zuckte hin und wieder nervös.
    Bergalf stand ganz vorn auf dem Flachdach, das Gesicht versteinert, der Körper regungslos wie eine Galionsfigur. Ein leichter Wind zupfte an den zottigen schwarzen Haaren. Auf seiner Brust funkelte noch immer die Silberkette mit dem Bilm, die er seit Minuqs Erscheinen nicht mehr in den Ausschnitt zurückgesteckt hatte. Jetzt strahlte sie wie Gold, weil sie das Licht aus dem Sinnstein reflektierte.
    »Wie weit willst du ihn denn noch herankommen lassen?«, fragte Jonas zum wiederholten Mal.
    Bergalf blickte ihn nicht an. »Bis er ganz nahe ist. Ich habe noch nie zuvor das

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