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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ein Durchkommen zu verhindern. Als sie dann die Fäden erreichten, an denen noch die aufgeschnittenen Ösen hingen, wurde das Schließen des Vorhangs leichter.
    In der Zwischenzeit warfen Robert, Sarah und die Flüsterer noch einen Blick in den Spiegel. Es hatte sich schon oft als Vorteil erwiesen, den Sicherheitsberater des Präsidenten als Erstes dranzunehmen. Deshalb begannen die Flüsterer auch diesmal mit ihm.
    McGeorge Bundy saß in seinem Büro und telefonierte. Der dicke Zeiger der Uhr auf seinem Schreibtisch hatte gerade die Zehnuhrmarkierung erreicht. Der Kalender an der Wand gewährte all jenen Amerikanern Absolution, die um diese Zeit noch am Frühstückstisch saßen.
     
    Sonntag
    21
    Oktober
     
    »Pierre Salinger bitte«, verlangte Bundy in drängendem Ton. Dann: »Pierre? Sind Sie es…? Ich muss Ihnen etwas erzählen, was für den Pressesprecher des Weißen Hauses wichtig sein könnte.« Bundy grinste listig. »Wir haben da in Kuba einige… Schwierigkeiten.«
    Bundy informierte Salinger zum ersten Mal über die aktuelle Raketenkrise. Auch wenn man nur die eine Hälfte des Telefongespräches mitbekam, merkte man doch deutlich, dass der Regierungssprecher nicht sehr begeistert darüber war, erst jetzt von den Vorgängen zu erfahren.
    Das Gespräch zwischen dem Sicherheitsberater und dem Pressesprecher verriet zwar, dass die Beschlüsse der Regierung jetzt der Öffentlichkeit konsequent mitgeteilt werden sollten, förderte sonst aber wenig Neues ans Tageslicht. Ximon übergab daher wenig später den Spiegel an Jonas’ Vater.
    Jack Kennedy erschien mit Dean Rusk in dem goldenen Rahmen. Der Präsident erteilte dem Außenminister die endgültige Genehmigung zur Einrichtung der Seeblockade. Beide sprachen davon, dass anderthalb Stunden später eine Sitzung des Exekutivkomitees stattfinden sollte.
    »Es könnte wichtig sein, dass wir diese Besprechung mitbekommen«, meinte Lischka, nachdem Kennedys Bild in der blauen Tiefe des Spiegels versunken war.
    »Bis dahin müssen wir schon ein gutes Stück in Richtung Heimat marschiert sein«, sagte Ximon.
    Die Packtiere waren schnell wieder beladen und nachdem Bergalf den letzten Faden des Vorhangs wieder in seine ursprüngliche Position gebracht hatte, wurde der Marsch durch die Dunkelheit fortgesetzt.
    Bald tauchten die ersten Abzweigungen im unsteten Licht der Fackeln auf. Darina hatte sie erwähnt. Für Jonas war es mehr als beruhigend, das Mädchen an der Spitze des Zuges zu wissen. Zwar blieb Darinas Hirsch auch hier an vielen Gabelungen stehen, doch nie musste sie ihr Tier zur Umkehr bewegen. Der Kristall hatte ihr Gedächtnis mit einem Wissen gefüllt, das weder Bonkas noch Menschen in einem einzigen Leben hätten erlangen können. Wenn sie nur genug in den Kammern ihrer Erinnerung herumkramte, schien sie am Ende immer genau das Richtige hervorzuziehen. Jedenfalls fand sie zielsicher den Weg unter den Hängenden Bergen hindurch.
    Während sie durch die dunklen Gänge wanderten, fragte sich Jonas, ob sich die Welt eigentlich schon wieder gedreht hatte. Seit dem Passieren der nun eingestürzten Brücke musste er das Zwieland doch gewissermaßen verkehrt herum durchquert haben. Eigentlich sollte hier, hinter dem Kimbaroth, wieder alles im rechten Lot sein – nur konnte er beim besten Willen nicht sagen, wo oder wann der neuerliche Wechsel stattgefunden haben sollte.
    Nach etwa anderthalb Stunden bat Ximon um eine Pause. Darina wäre gerne noch eine Weile weitergeritten. Aber sie gewährte dem verletzten Flüsterer dann schließlich doch, worum er nachgesucht hatte.
    Wie selbstverständlich wurde Keldins Spiegel im Kreis der Reisenden auf den Boden gelegt und Robert konzentrierte sich auf John F. Kennedy.
    Die Sitzung des Exekutivkomitees hatte gerade erst begonnen. Es war kurz nach halb zwölf. Der Kriegsrat saß im ovalen Amtszimmer des Präsidenten und lauschte gerade den Ausführungen von General Walter C. Sweeney, der, wie Ximon flüsterte, das Tactical Air Command befehligte. Sweeney legte seinen Zuhörern noch einmal dar, dass die bekannten Raketenstellungen auf Kuba von der Luft aus nur dann wirklich eliminiert werden könnten, wenn auch andere Ziele wie Flughäfen und Küstenbatterien bombardiert würden. Als Jack ihn fragte, ob die Mittelstreckenraketen mit Sicherheit zerstört werden könnten, musste der General eingestehen, ein Erfolg sei zu höchstens neunzig Prozent zu garantieren. Jacks letzte Zweifel waren damit offenbar ausgeräumt. Die

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