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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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seine Augen waren fast grau, sie blickten gequält in die Runde der Ratgeber. Plötzlich sagte er: »Gibt es nicht noch irgendeine Möglichkeit, wie wir den Zusammenstoß mit dem russischen U-Boot vermeiden können?«
    »Nein«, antwortete McNamara, »die Gefahr für unsere Schiffe ist zu groß. Es gibt keine Alternative. Die Marine hat Anweisung, Feindseligkeiten wenn irgend möglich zu unterlassen, aber wir müssen auf alles vorbereitet sein.«
    Kennedy nickte ernst. Sein Gesicht war zerfurcht. »Wir müssen damit rechnen, dass sie Berlin abriegeln – treffen Sie die letzten Vorbereitungen für diesen Fall.«
    Jonas rutschte auf seinem Stuhl in der Felsenkammer hin und her. Atemlos verfolgte er auf dem Spiegel das Geschehen im Weißen Haus. Er hatte das Gefühl, als stehe mit diesen Männern die ganze Welt am Abgrund. Und keine Lösung in Sicht!
    »Gibt es schon irgendwelche neuen Meldungen?«, erkundigte sich der Präsident, um sich etwas abzulenken.
    Es waren keine hereingekommen. Das quälende Warten ging weiter.
    »Vielleicht sollten wir einen Blick in den Kreml werfen«, sagte Robert. Er hatte das Bild im Spiegel verblassen lassen. Lischka, der eigentlich schon längst im Bett liegen sollte, nickte. Sogleich erschien ein bombastisches Konferenzzimmer, voll mit ernsten Gesichtern.
    »Bei allem Respekt, Genosse Generalsekretär, aber ich halte die Befehle, die Sie heute Nacht ausgegeben haben, für unverantwortlich«, donnerte gerade ein uniformierter Mann, den Lischka leise als Marschall Sergej Birjusow identifizierte. »Unsere restlichen Schiffe müssen unbedingt ihren Kurs fortsetzen. Wenn wir jetzt nachgeben, dann verraten wir nicht nur unsere Genossen auf Kuba, sondern auch die Revolution. Die Imperialisten werden uns nie mehr ernst nehmen. Nie mehr!«
    Für Chruschtschow – vielleicht der einzige Politiker im Kreml, der wirklich noch mit Herz und Seele an die Revolution des Weltproletariats glaubte – waren die Worte des Marschalls wie ein Magenhieb. Dennoch entgegnete er: »Und wenn wir nicht nachgeben, was sollen wir Ihrer Meinung nach dann tun, Genosse Birjusow? Ich kann Ihnen genau sagen, was dann passieren wird: Die Navy wird eines unserer Schiffe stoppen, und wenn sie es versenken muss. Sollten wir dem U-Boot erlauben das Feuer zu erwidern, dann wird daraus ein Konflikt entstehen, den keiner von uns mehr eindämmen kann.«
    Wassili Kusnezow, den Jonas schon am Montagabend kennen gelernt hatte, fuhr sich mit dem Finger am Innenrand des Hemdkragens entlang und meinte: »Wir haben immer noch die Berlinkarte im Ärmel. Kennedy weiß das. Genosse Feklisow hat seinem Laufburschen John Scali unmissverständlich klargemacht, dass wir diesen Trumpf auch ausspielen werden, wenn die Amerikaner uns dazu zwingen. Ich finde, wir sollten…«
    Chruschtschows Faustschlag auf den Tisch unterbrach Gromykos Stellvertreter. »Wir versuchen hier aus dieser avantjura herauszukommen, und Sie sind drauf und dran, uns in die nächste hineinzuziehen!«
    »Was ist eine avantjura?«, wisperte Jonas in Lischkas Ohr.
    »Ein Abenteuer, ein riskantes Hasardspiel«, hauchte dieser zurück. Dann beugte er sich schnell vor und flüsterte etwas, was nicht für den Kremlchef bestimmt war.
    Jonas sah gespannt in den Spiegel.
    »Könnten wir nicht unsere übrigen Schiffe beidrehen lassen?«, schlug Chruschtschows Schwiegersohn Alexeij Adschubej unvermittelt vor. »Das wäre weder ein Rückzug noch eine weitere Provokation. Dadurch könnten wir Zeit gewinnen. Vielleicht machen die Amerikaner ja einen Fehler. So wie damals, als wir ihre U-2 über dem Ural herunterholten.«
    »Ich glaube nicht, dass sie uns im Augenblick diesen Gefallen tun werden.«
    »Aber Nikita, sie schicken pausenlos ihre Aufklärer über die Insel!«
    »Das ist etwas anderes. Ich möchte im Augenblick nicht, dass auf irgendeines dieser Dinger geschossen wird.« Chruschtschow funkelte in die Runde seiner Vertrauten. »Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Geben Sie die erforderlichen Kommandos weiter.« Einige Männer, die vor sich servierplattengroße Hüte auf dem Tisch liegen hatten, nickten ernst. »Und jetzt wieder zu dieser Aggression, der so genannten Quarantäne.« Er sprach das Wort aus wie etwas, was man gewöhnlich nicht in den Mund nimmt. »Der Vorschlag von Alexeij gefällt mir. Geben Sie sofort entsprechende Funksprüche durch. Ich verlange eine abgestufte Reaktion – die Amerikaner sollen ruhig ein bisschen grübeln.«
    Das Bild im

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