Das Echo der Flüsterer
Kanthelm, während sein verbliebenes Auge Numin kalt anfunkelte.
»Ich bin gekommen, um mit dir über Azons Fortbestehen zu sprechen.«
»Was für ein Unsinn, Darina! Dafür brichst du das alte Tabu und dringst in unser Land ein? Ich fühle mich versucht dich und deinen Begleiter als Spione zu betrachten. Du weißt, was man in allen Welten mit Spitzeln macht.«
Darina sah unauffällig zu Numin hin. Der hatte den Ring mit dem Wahrheitsstein nach innen gedreht und zeigte ihr verdeckt die hohle Handfläche. Syrdas roter Kristall leuchtete nicht – Kanthelms Drohung war also ernst gemeint.
»Wir sind keine Spione«, widersprach sie energisch, »sondern Parlamentäre, und die werden überall mit Respekt behandelt, egal wie verfeindet zwei Parteien auch sein mögen. Außerdem hast du doch das größte Tabu gebrochen. Du hast Azon von der Menschenwelt abgeschnitten. Sollte diese Tat nicht rückgängig gemacht werden, wird uns das Nichts verschlingen…«
»Törichte Reden, zum Kristall noch mal!«, fiel ihr Kanthelm wütend ins Wort. »Wir brauchen die Erde nicht. Der Kristall ist die einzige schöpferische Kraft, die es gibt. Ihm verdanken wir unser Dasein und sonst niemandem.«
»Und warum ist unsere Welt dann derjenigen über dem Kristall so ähnlich?«
»Und wenn schon! Das ist eben nur ein Beweis für die Gestaltungskraft des blauen Steins. Er kann viele Welten schaffen. Wenn sie sich ähnlich sind, belegt das doch bloß ihren gemeinsamen Ursprung.«
»Aber Kanthelm! Du bist ein Wissender, wie ich eine Wissende bin. Du kannst doch nicht wirklich glauben, was du da sagst?«
»Die Malkits tun es und als ihr oberster Priester glaube ich es auch.«
Numins glühender Wahrheitsring verriet Darina das Gegenteil.
»Dieser Glaube erhält uns alle am Leben«, ereiferte sich der einäugige Herrscher. »Was ich getan habe, befreit uns endlich von dem Gift der Erde. Beim Kristall, wir brauchen ihr Leben nicht, um zu bestehen! Eine gewisse Zeit lang war uns die Menschenwelt nützlich – ich weiß, wovon ich spreche. Wir haben sie geimpft, ihnen unsere kleinen klugen Geistesblitze in den Sinn gebrannt, wir haben sie gereinigt von allem Ballast, den ihr Bonkas ihnen einzupflanzen versucht habt…«
»Wären wir nicht gewesen, dann hätte die von euch Malkits aufgestachelte Engstirnigkeit die Menschen wahrscheinlich schon längst ins Unglück gestürzt. Ihr redet ihnen ein, dass sie nichts Neues brauchen, dass sie gar das Fremde hassen müssen. So lange, bis sich die Welt irgendwann zu drehen aufhört. Und dann wird sie auseinander brechen.«
»Nur der Kristall weiß, was mit der Erde geschieht. Wir haben jetzt nur noch uns selbst.«
»Du willst sagen, du hast jetzt nur noch dich und deine Malkits. Was für einen Plan hast du dir ausgeheckt, um dir auch die Bonkas und das Zwieland zu unterwerfen?«
»Du bist sehr schlau, Darina. Wir beide zusammen könnten eine mächtige Dynastie begründen.«
»Vergiss es, Kanthelm.«
»Denk noch einmal darüber nach. Ich könnte dich und deinen Jungen da jederzeit töten.«
»Das würdest du nicht tun, nicht im Augenblick.«
»Oh doch, das könnte ich!«
Numins Stein sagte, dass Kanthelm log. Aber was bezweckte der Malkit wirklich?
»Ich habe es nicht eilig damit«, setzte er ruhig hinzu. »Vielleicht entscheidest du dich ja doch noch für eine hoffnungsvolle Ehe.«
»Niemals, Kanthelm.«
»Hast du dein Herz etwa schon einem anderen geschenkt? Womöglich sogar diesem Keldinianer da?« Geringschätzig deutete Kanthelm auf den errötenden Numin. »Lass ihn fallen, Darina. Er kann dir nichts bieten, was ich dir nicht tausendfach gewähren könnte.«
»Ich bin nicht hergekommen, um mit dir über meine Familienplanung zu plaudern, Kanthelm.«
»Dann wirst du eben deine Absichten ändern müssen!«, fauchte der oberste Malkit mit einem Mal. Er hatte sich abrupt vorgebeugt und sein Speichel spritzte auf den polierten Boden. »Ich gebe dir einen Tag Bedenkzeit: Entweder du heiratest mich und ich schenke deinem Freund hier das Leben oder ihr beide werdet morgen sterben.«
Darina stand starr wie eine Salzsäule vor Kanthelms Thron. Ihre blauen Augen versprühten ein gefährliches Feuer. Sie versuchte Kanthelms wahre Absichten zu ergründen. Der Malkit war ein Kristallgeborener wie sie. Daher war sein Denken ihr nicht fremd. Ihm ging es nicht wirklich darum, sie zu heiraten. Ihre Person war in seinen Augen nur eine nette Dreingabe. Er verbarg irgendetwas vor ihr. Hätte sie ihn auf
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